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„Zukunft statt Stellenabbau – Solidarität organisieren“

Sidar Carman

So hieß es in der Einladung des Freundschafts- und Solidaritätsvereins Stuttgart (DIDF Stuttgart) zum Offenen Treffen „Betrieb & Gewerkschaft“, das am 3.11.2019 im Vereinslokal stattfand. Über 30 Personen kamen zusammen, darunter auch Kollegen von Daimler, Mahle, Bosch, WMF und Schmid. Der Verein veranstaltet seit Jahren in regelmäßigen Abständen Diskussions- und Gesprächsrunden für Betriebräte und Gewerkschafter, um den Austausch und die engere Vernetzung zu stärken. Während in der Vergangenheit Themen wie Digitalisierung, Industrie 4.0 oder Transformation im Mittelpunkt standen, ging es bei diesem Treffen vor allem darum, den Blick auf aktuelle Kämpfe um Arbeitsplätze in der Region Stuttgart und Geislingen zu werfen. Gründe dafür gibt es genug: Der Autozulieferer Mahle hat vor wenigen Monaten angekündigt 380 der 4300 Arbeitsplätze in den Stuttgarter Werken bis Ende 2020 zu streichen. Bei WMF in Geislingen sollen über 400 Stellen wegfallen. Mitte März dieses Jahres protestierten rund 3000 Bosch-Arbeiter in Stuttgart Feuerbach gegen den geplanten Stellenabbau. Einen genauen Einblick auf die Auswirkungen von Industrie 4.0, Transformation etc. in der Autoindustrie verschaffte u.a. der Vortrag eines Arbeiters bei Mahle, den wir leicht gekürzt veröffentlichen:

“Wer glaubt, dass er sich auf Kosten der anderen retten kann, wird der nächste Verlierer sein!”

Mahle ist ein Autozulieferer mit 160 Produktionswerken und 16 Forschungs- und Entwicklungszentren in 35 Ländern. Die Zentrale ist in Bad Cannstatt. Die Firma produziert Teile für Verbrennungsmotoren, Filter, Kühler und zunehmend auch Komponenten für elektrische Antriebe und beschäftigt weltweit fast 80000 Mitarbeiter, davon etwa ein Fünftel in Deutschland. Im Mai hat die Firmenleitung ein «Sparprogramm» angekündigt. Demnach sollten 20 Prozent der Kosten weltweit eingespart werden.

Damals machte sich der Gesamtbetriebsratsvorsitzende noch Hoffnungen, die Vereinbarungen zur Beschäftigungssicherung würden eingehalten. Wochen später wurde die Schließung von Telford in England mit 180 Beschäftigten angekündigt. In Deutschland hat diese Nachricht damals noch nicht so große Aufmerksamkeit erlangt. Als dann aber die Schließungen der Werke in Öhringen (bei Heilbronn) mit 240 und die Walzenfertigung in Feuerbach mit 38 Kollegen verkündet wurden, war das ein ziemlicher Schlag ins Gesicht und eine kalte Dusche für Einige. […] Bereits vorher war noch verkündet worden, in den Unternehmenszentralen in Stuttgart sollten «sozialverträglich» 387 Stellen gestrichen werden- dazu kommen noch ca. 300 bereits genehmigte Stellen.

Warum trifft es gerade diese beiden Werke und welche Umbaupläne verstecken sich dahinter?

In Öhringen werden Filter und Ansaugmodule hergestellt. Deren Produktion soll nach Rumänien verlagert werden. In Rumänien wird seit Jahren der größte Filterstandort aufgebaut, das betrifft auch die Entwicklung.

Wenn die Autoindustrie davon ausgeht, dass keine Neuentwicklungen mehr am Verbrennungsmotor geschehen, dann muss nach deren Logik ein solcher Standort in Deutschland auch nicht mehr gehalten werden. Diese Entwicklung hat sich schon in den letzten Jahren abgezeichnet. Den Einstieg in die E-Mobilität hat die Firma Mahle in erster Linie dadurch erledigt, in dem sie Firmen aufgekauft hat, die auf diesem Gebiet unterwegs waren.

Da es jetzt danach aussieht, dass der Markt für den Verbrennungsmotor enger wird, und alle drum kämpfen, noch einmal richtig Geld zu verdienen, entsteht ein enormer Preiskampf und der wird auch Mahle-intern ausgetragen, indem diese Produktion in Billiglohnländern konzentriert wird. Dazu gehört auch die Verlagerung der Produktion von Telfford. Als die Firma ihre Sparpläne verkündet hat, waren damit alle Werke gemeint. Begründet wurde dies mit der Umstellung auf Elektromobilität, die zusätzliche Kosten verursacht, aber auch mit Umsatzrückgang in vielen Bereichen der Automobilindustrie, also mit der Krise, die jetzt kommt.

[…]

Was ist die Linie der IG Metall?

Die generelle Linie der IG Metall ist, dass die Digitalisierung und die Elektromobilität sozialverträglich und mit den Belegschaften gemeinsam gemacht werden müssen, außerdem schlägt sie Transformationsfonds vor, aus denen Umschulungen und Neuentwicklung bezahlt werden sollen.

Am Aktionstag wurde die Losung der Firma „One Mahle, One Team“ – „Ein Mahle ein Team“ umgedreht in «No Team, No Mahle- kein Team -kein Mahle». Unter diesem Motto haben sich auch Gewerkschafter an anderen europäischen Standorten versammelt, allerdings waren das keine Aktionen während der Arbeitszeit, in den meisten Fällen waren das eher Plakataktionen. Die Idee eines europäischen Aktionstags ist natürlich vollkommen richtig, der Widerstand muss international laufen und es ist auch völlig richtig, wenn die IG Metall darauf besteht, dass nicht jeder Standort nur auf sich guckt. Immerhin konnten ein paar tausend Leute mobilisiert werden, das zeigt, dass die Idee des gemeinsamen Kampfes auf Resonanz stößt.

Ob die Betriebsräte am selben Strang ziehen?

[…] Die meisten Betriebsräte – nicht nur bei Mahle – setzen leider nur auf Gespräche und suchen nach Lösungen für «ihre» Werke.

Die Logik der «Standortsicherung» hat auch eine Haltung verstärkt Lösungen notfalls auf Kosten von anderen Werken zu suchen. Aber es gibt auch Betriebsräte und Vertrauensleute, die das gemeinsame Handeln in den Vordergrund stellen wollen, weil das alle stärker macht. Ich hoffe, dass diese mehr und lauter werden und nicht den Fehler machen, sich auf Appelle an die Manager zu beschränken. Das Vorgehen der Manager ist ganz eindeutig darauf angelegt, die Werke unterschiedlich zu behandeln und eines nach dem anderen abzufrühstücken.

Inzwischen gibt es eine Vereinbarung für die Zentrale. Die Walzenfertigung wird zwar nicht geschlossen, aber wie lange sie noch funktionsfähig bleiben wird, ist unklar. Auch die Anzahl der abzubauenden Stellen bleiben nach wie vor gleich. Bis Ende 2021 wird es keine betriebsbedingten Kündigungen geben. Der Abbau soll freiwillig mit Abfindungen und Alterszeitverträgen erfolgen.

Es ist sehr fraglich, ob so viele freiwillig gehen. Und dass das nicht der letzte Angriff war, wurde noch am selben Tag bekannt. Dieses mal sind Werke in Luxemburg, Italien und Frankreich von Verlagerungen und Schließungen betroffen.

Es gibt auf jeden Fall in Teilen der Belegschaft den Wunsch, dass mehr passiert, dass die Auseinandersetzungen öffentlicher geführt werden und die Betriebsräte klare Kante zeigen. Mahle ist nicht der einzige Zulieferer mit diesen Sorgen, die ganze Branche ist ja im Umbruch. Die Firmen denken darüber nach, wie sie in die Elektromobilität einsteigen und vorankommen können. Was es wenig gibt, ist eine umfassende Diskussion über Verkehrskonzepte. Das auch in der IGM.

Überall versuchen die Unternehmen ihre Profite auf unsere Kosten zu retten und weiter zu maximieren. Sie versuchen auch jetzt die Schuld der Politik und der Umweltbewegung zu geben. Dabei war es immer die Profitgier des Kapitals, das keine Hemmungen hatte, die Umwelt für ihre Gewinne zu opfern, so wie sie auch unsere Arbeitsplätze dafür opfern!

Also müssen alle Werke in Europa und weltweit, ob Mahle, Bosch oder WMF an einem Strang ziehen und begreifen, dass sie die nächsten sein können. Wer glaubt, dass er sich auf Kosten der anderen retten kann, wird der nächste Verlierer sein!

Jetzt kann die IGM zeigen, wofür sie da ist und auch eine Antwort auf die Krise geben. Aber da reichen keine Appelle an Unternehmen und Politik – da muss die Gewerkschaft mit uns Beschäftigten selbst neue Konzepte entwickeln. […] Da muss die IG Metall die ganze Macht der Belegschaften mobilisieren und mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln auch dafür kämpfen.

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