Trotz des starken Regens kamen hunderte Teilnehmer zum Open Air Festival der DIDF-Jugend Hessen in Frankfurt. Das Festival begann um 14 Uhr mit den beiden Workshops zur Frauenbewegung und zur Situation der Geflüchteten in Europa. Das Interesse der Teilnehmer an den Workshops war bemerkenswert hoch, so dass die vorgesehenen Räumlichkeiten bis zum letzten Platz voll waren. Anschließend begann um 18 Uhr das Musikprogramm mit den Sängern Gizem Gözüacik, Grup Tümay, Bandista und Yasar Kurt. Die Moderation machten Melisa und Can Gündüz. Auch viele Bündnispartner wie Fabian Wagner vom DGB-Jugend Hessen-Thüringen, Rabia Salim vom Hessischen Jugendring, Kübra Yigittekin von den Falken und Robin Schmidt von der SDAJ waren an dem Tag als Redner dabei, hielten ein Grußwort gehalten und feierten das 20-jährige Jubiläum der DIDF-Jugend unter dem Motto „Frieden, Solidarität und Gleichberechtigung“. Auf dem Festival fanden wir die Möglichkeit, mit Yasar Kurt, der Hauptattraktion des Festivals, über seine Musik und die politische Situation in der Türkei zu reden.
Worum geht es in ihrem neuem Album „Hemsin Yaylalari“?
Dieses Album ist aus der Region Hemşin aus der Schwarzen Meerregion und besteht überwiegend aus regionalen Volks- und Tanzliedern, die ich noch mal versucht habe, zu interpretieren. Um das zu machen, habe ich ca. 1 Jahr lang dort gelebt. Die Region, die Menschen und die Musik gefallen mir so sehr, dass ich vorhabe, auch in der Zukunft mich damit weiter zu beschäftigen.
Wie ordnen Sie den Rang der Musik in die gesellschaftliche Bewegung ein?
Wenn man der Musik unbedingt eine Aufgabe oder Rolle zuordnen möchte, kann ich für mich sagen, dass es die Aufgabe der Musik ist, eine kulturelle Gemeinschaft herzustellen und die kulturelle Vielfältigkeit miteinander zu teilen. Musik öffnet uns viele Türen, in dem die richtigen Messages transportiert werden wie Solidarität, Menschenrechte oder Umwelt. Als Musiker versucht man, Werke zu produzieren, um in diesen die gemeinsamen Empfindungen der Menschen zu teilen ohne dabei Menschen auszuschließen, ohne Rassismus oder Faschismus und für die Zukunft eine Vision mit zu geben. Aber leider sehen nicht alle meine Kollegen das so.
Wir leben in einer immer rückschrittlicher werdenden Welt, wo der Mensch nicht als Mensch, sondern als Flüchtling, Besitztum oder Sklave kategorisiert wird. Und wir müssen gegen so eine Welt eine Opposition bilden und ich versuche dies zu machen. Aber diese Opposition wird immer und immer weniger.
Wir verfolgen die Repressionen gegen die Presse, Meinungsfreiheit und Kunst in der Türkei seit geraumer Zeit. Was denken Sie, müssten die Künstler in der Türkei dagegen tun?
Diese Probleme sind nicht erst Heute entstanden, diese gibt es schon sehr lange in der Türkei. Künstler und Journalisten waren ständig mit politischer Repression konfrontiert. Jedoch finden diese Repressionen heute noch aggressiver statt. Dazu kommt auch noch, dass sich die Türkei in einem Bürgerkrieg befindet und in dieser Angelegenheit macht die Türkei immer mehr Rückschritte. Es ist schlimmer, als vor einem Jahr und dies ist aus Sicht der Kunst-, Presse-, Meinungsfreiheit und Menschenrechte auch so. Dieser Rückschritt erschwert das Leben der Menschen sowie das gemeinschaftliche Leben gleichzeitig, auch das Leben der Künstler und hat auch Einfluss auf die Freiheit, sich in der Kunst zu entfalten.
Wie beeinflussen die staalichen Repressionen das Leben der Künstler konkret?
Also man kann es so sagen: In der Türkei gibt es den Begriff Befürworter (Yandas), das auch für Künstler gilt, Künstler die keine Befürworter sind und der Regierung nicht nahe stehen, sogar sie kritisieren, werden erniedrigt, als der böse Mann abgestempelt, die Arbeit wird ihnen erschwert und sogar der Einlass in die Türkei wird verweigert. Ein guter Freund von mir darf nicht mehr zurück und lebt deshalb zurzeit in England, da ihm eine Haftstrafe von womöglich Paar hundert Jahren bevorsteht. Dies sind einige Beispiele aus der Türkei, die es aber schon immer gegeben hat und heute wie eine scharfe Waffe von der Politik benutzt wird gegen die Gesellschaft und die Künstler. Man kann also sagen, dass es einen gewaltigen Druck gegen uns gibt.
Vor kurzem wurde im deutschen Bundestag der Völkermord an den Armenier anerkannt. Wie waren die Reaktionen in der Türkei?
Die Reaktionen der Türkei ändern nichts an der Tatsache, dass sie den Völkermord begangen haben. Aber das leugnet die Türkei seit jeher. Es gibt aber eine kleine Änderung im Diskurs: Früher sagte man, die Armenier hätten uns verraten und uns von hinten erstochen, deswegen musste das sein, heute aber sagt man, dass Krieg war und man die Armenier in ihre Schranken weisen musste. Man habe ihnen lediglich gedroht, niemand sei zu Schaden gekommen. Man rechtfertigt diese Aussagen damit, dass es damals üblich und gesetzlich legitim war, auf solch eine Art zu drohen. Es gab ein großes Leid und dieses Volk leidet weiterhin, seit Generationen tragen sie noch immer diese Spuren und wollen, dass diese Grausamkeiten als Völkermord anerkannt werden.
Deutschland hat einen richtigen Schritt gemacht, das ist meine persönliche Meinung. Sie sind den Schritt gegangen und haben demokratische Initiative ergriffen, um selbst damit abzurechnen und nicht, um gegen die Türkei zu hetzen, wie es dort dargestellt wird. Armenier werden immer noch als eine internationale Bedrohung angesehen und auch noch so abgefertigt. Ich wünsche mir, dass auch die Türkei es irgendwann mal schafft, ihre Geschichte kritisch zu betrachten und die Vergangenheit aufzuarbeiten.