Written by 15:00 HABERLER

25 Jahre DIDF-Jugend: warum es auch noch heute eine türkeistämmige Organisation braucht

Uns erreichte die Erklärung der DIDF-Jugend zu ihrem 25-jährigen Bestehen, die wir hier leicht verändert abdrucken möchten.

Im Jahr 1996 hat sich die DIDF-Jugend gegründet. „Vor 25 Jahren war die Welt eine andere“ könnten sich die einen oder anderen jetzt denken. Auch, dass solche Organisationen, wie die DIDF-Jugend überholt seien oder die gemeinsamen Kämpfe schwächen würden könnte als Vorwurf kommen. Warum die Notwendigkeit für diese Organisation heute noch besteht, wollen wir in diesem Artikel darlegen.

Warum wir uns gründeten?

Heute sind Themen, wie Migration oder Rassismus, in den öffentlichen Debatten sehr präsent. Es gibt viele unterschiedliche Zusammenschlüsse von jungen Migranten, Onlineplattformen, Seiten auf Socialmedia-Kanälen setzen sich mit der Lebensrealität von jungen Migranten auseinander. Abwandlungen von türkischen oder arabischen Wörtern sind längst im Wortschatz aller Jugendlichen angekommen. 1996 war vieles davon noch undenkbar. Migration war höchstens Thema, wenn Politiker damit Rechtspopulismus betreiben wollten. Bis dahin war Einwanderungsgesellschaft kein Thema, wenn dann mussten sich die, die „gekommen sind“, an die, „die schon immer da waren“, anpassen. 

Natürlich war die Realität eine andere. Türkeistämmige bilden die größte Gruppe der Migranten. Lebensmittel, Esskultur, Musik uvm. prägten die Gesellschaft entscheidend. Doch in politischen Debatten, in ihrer Interessenvertretung etc. spielten sie kaum eine Rolle. Als in Solingen und Mölln rassistische Brandanschläge auf von Türkeistämmigen bewohnte Häuser verübt wurden, standen viele Vertreter der Politik nicht an der Seite der Familien, sondern befeuerten die ohnehin angespannte Situation nur noch mehr. Weder in Mölln, noch in Solingen nahm der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) an den Trauerfeiern teil. 

Die zweite Generation der Türkeistämmigen, die Kinder der sogenannten Gastarbeiter, war zu dieser Zeit bereits in Deutschland aufgewachsen. Sie kannten Deutschland besser, als die Türkei. Für sie war Deutschland ihr Zuhause. Ein Zuhause, in dem sie mit Rassismus und Ignoranz von Seiten der Politik konfrontiert waren. In dem sie gleichzeitig von der türkischen Regierung weiterhin beeinflusst wurden. In dem türkische, rechte Gruppen, wie die Grauen Wölfe versuchten, sie für sich einzunehmen und sie vom Rest der Gesellschaft abzukoppeln. 

Für Unternehmen waren Türkeistämmige in den Jahrzehnten zuvor vor allem billige Arbeitskräfte. Auch wenn die Gewerkschaften bereits frühzeitig versuchten, diese zu organisieren, wurden deutlich weniger Ressourcen dafür eingesetzt, sie beschränkte sich in weiten Teilen auf „Ausländerarbeit“. Der Unmut innerhalb der Türkeistämmigen wegen den Arbeitsbedingungen äußerte sich immer wieder, u.a. bei den Wilden Streiks im Kölner Fordwerk 1973. 

So bildete sich 1996 die DIDF-Jugend. Nicht nur als Antwort auf den Rassismus und die Arbeitsbedingungen, sondern als Organisation, die das sagte, was viele türkeistämmige Organisationen zu dieser Zeit noch nicht sagten: Wir sind ein Teil dieser Gesellschaft. Unser Lebensmittelpunkt ist in Deutschland und hier werden wir Seite an Seite mit unseren deutschen Kollegen für eine Zukunft ohne Rassismus, ohne Ausbeutung und Krieg kämpfen.

Warum Türkeistämmige auch heute noch eine Organisation brauchen

25 Jahre später ist die Situation der Türkeistämmigen noch immer prekär. Rassistische Angriffe, wie durch den NSU oder in Hanau, gehören noch lange nicht der Vergangenheit an. Struktureller Rassismus gehört noch immer zu unserer Lebensrealität. Wir erleben ihn bei Polizeikontrollen, wir erleben ihn bei der Jobsuche oder wenn wir eine eigene Wohnung anmieten wollen. Doch sind es auch wir, die noch immer überproportional in Ausbildungsberufen beschäftigt sind, die meist schlechter bezahlt sind und mehr Überstunden usw. leisten müssten. Wir landen öfter in der Hauptschule, als auf dem Gymnasium, sind öfter im Übergangssystem. Die wenigsten schaffen es höhere Bildungsabschlüsse zu erlangen und die Universität besuchen zu können.

Und auch heute noch sind wir der Spielball der Politik. Sowohl der deutschen, die uns immer noch für rechte Propaganda instrumentalisiert, als auch der türkischen, die über uns ihren Einfluss hier aufrechterhalten will. Die Probleme der türkeistämmigen Jugendlichen sind nach wie vor vorhanden. In großen fortschrittlichen Jugendbewegungen, wie z.B. Fridays for Future, sind Türkeistämmige noch immer unterrepräsentiert. Generell machen all die oben genannten Faktoren die Beteiligung von Türkeistämmigen in Jugendorganisationen noch immer schwer. Deshalb braucht es zum heutigen Zeitpunkt noch immer eine Organisation, die die speziellen Problemlagen der Türkeistämmigen kennt und diese bekämpft.

Warum es nicht irgendeine, sondern die DIDF-Jugend sein muss

Wer jetzt denkt, dass die DIDF-Jugend sich nur über Betroffenenpolitik organisiert, liegt gewaltig falsch. Selbstverständlich gibt uns die persönliche Erfahrung mit Rassismus und Diskriminierung eine besondere Expertise, in der sich türkeistämmige Jugendliche wiederfinden. Doch der Kampf gegen Rassismus ist für uns Bestandteil eines größeren Kampfs. 

Unsere Identität ist die einer Arbeiterjugendorganisation. Als solche sehen wir die eigentlichen Probleme nicht zwischen Menschen unterschiedlicher ethnischer Herkunft, sondern zwischen oben und unten. Die Unternehmen und Konzerne auf der einen Seite, die auf unserem Rücken Profit schlagen. Die uns Jugendliche als günstige Arbeitskräfte ausbeuten, die unsere Umwelt und somit unsere Zukunft zerstören, die Waffen und Rüstungsgüter exportieren, um sich zu bereichern. Und wir, die Jugend dieses Landes auf der anderen Seite, die unter dem mehrgliedrigen Bildungssystem, dem andauernden Konkurrenzdruck, der unfairen Arbeitsbedingungen usw. leiden.

All diese Probleme können wir ändern, indem wir uns zusammentun. Indem türkeistämmige Jugendliche Teil des Kampfs für eine bessere Gesellschaft werden. Indem wir gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen für Solidarität und Gleichberechtigung einstehen. Uns gibt es, um türkeistämmige Jugendliche für all das zu gewinnen. Das tun wir, indem wir auch gemeinsam Spaß haben und Arbeiterkindern den Zugang zu Sport und Kultur ermöglichen. Indem wir auf unseren Sommercamps gemeinsam leben, schaffen und feiern. Indem wir mit unserer Zeitschrift unsere Perspektiven auf die Geschehnisse in diesem Land und auf der Welt beleuchten. Aber auch indem wir zusammen bei Streiks und Demonstrationen stehen und solidarisch sind. Wir stehen immer gemeinsam für eine bessere Welt. Gestern. Heute. Morgen. Deshalb leben wir unser Motto: Gemeinsam sind wir stark! 

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