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An der Libyen-Front nichts Neues

İhsan ÇARALAN

Um einen Waffenstillstand in Libyen zu erreichen, fand in Berlin die Libyen-Konferenz statt. Es wurde eine Abschlusserklärung mit einem 55-Punkte-Plan veröffentlicht. Bundeskanzlerin Angela Merkel verkündete eine Einigung über den Waffenstillstand. Man sei sich auch einig darüber, dass das Waffenembargo von der UN strenger überwacht werde. Das Thema „libysches Erdöl“ werde in späteren Gesprächen behandelt.

Dies war zugleich das Eingeständnis, dass es Europa bei dem Konflikt vor allem ums Öl geht. Auch Haftar hatte im Vorfeld der Konferenz deutlich gemacht, dass er die Kontrolle über die Ölfelder hat und deshalb ein wichtiger Verhandlungspartner für den Westen ist.

IST EIN NACHHALTIGER WAFFENSTILLSTAND IN LIBYEN MÖGLICH?

Dass Haftar, der eine Woche zuvor den Gipfel ohne Ergebnis verlassen hatte, jetzt dem Kompromiss von Berlin zustimmte, erscheint auf den ersten Blick wie ein Erfolg der Berliner Konferenz. Auf dem zweiten Blick wird jedoch deutlich, dass sich weder al-Sarradsch noch sein Widersacher Haftar, ganz im Sinne ihrer Unterstützer, an keinen Waffenstillstand gebunden fühlen, der nicht den eigenen Zielen dient.

Wenn man sich die 5 ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats sowie die Länder Ägypten, Sudan, Saudi Arabien, VAE, die Türkei und Russland, die sich in Libyen engagieren, und deren Interessengemenge anschaut, wird ersichtlich, dass der ausgehandelte Waffenstillstand nicht lange halten wird. Und auch der 55-Punkte-Plan wird den Bürgerkrieg in Libyen nicht lösen.

Denn die Nationale Einheitsregierung in Tripolis fordert ihre Anerkennung als die legitime Kraft in Libyen und den Rückzug der Haftar-Milizen aus den eroberten Gebieten. Dagegen fordert die unter der Führung von General Haftar geschmiedete Allianz von der Regierung al-Sarradsch unter anderem, dass sie in die Leitung der Libyschen Zentralbank aufgenommen werden und ein ihrer militärischen Kraft und Präsenz entsprechendes politisches Gewicht erhalten.

In einem politischen Gemengelager, bei dem die politischen Ziele dermaßen entgegengesetzt sind, ist es eine höchst optimistische Erwartung, dass der Waffenstillstand nachhaltig ist und das Waffenembargo überwacht wird.

ERDOĞANS REGIERUNG HAT ES JETZT SCHWERER

Die Berliner Konferenz wird aus Sicht von Erdoğans Regierung zwei Konsequenzen haben: Erstens musste er sich mit Haftar, den er stets als einen Putschisten bezeichnete, an einen Tisch setzen, an dem auch al-Sisi saß. So sandten auch die Mitglieder des UN-Sicherheitsrats die Botschaft, dass sie beiden Konfliktparteien von Haftar und al-Sarradsch das gleiche Statut verleihen.

Zweitens verbot die Konferenz auch der Türkei die Lieferung von Waffen an die Zentralregierung. Die Türkei berief sich bis dahin stets darauf, dass die UN-Waffenembargo nicht die legitime al-Sarradsch-Regierung, sondern lediglich die Truppen von Haftar betreffe. Die Berliner Konferenz verbietet jetzt Waffenlieferungen an beide Parteien, was dafür sorgt, dass Erdoğan seine Zusagen an die Nationale Einheitsregierung nicht einhalten kann.

Heute stehen die Türkei, Saudi-Arabien, VAE, Ägypten, Frankreich, Sudan, Russland, Katar, Italien und andere Länder bei diesem Konflikt auf der Seite verschiedener Parteien. Deshalb sind sie kaum in der Lage, den Bürgerkrieg mit einer politischen Lösung zu befrieden. Man sollte auch nicht vergessen, dass Teilnehmer der Konferenz wie Frankreich, USA, Großbritannien, Italien und die Türkei zu denjenigen gehören, die bei den arabischen Aufständen Libyen mit ihren Kampfjets angriffen und die eigentlichen Verursacher des heutigen Bürgerkriegs sind. Die damaligen „Täter“ wollen heute auf der Berliner Konferenz als „politische Vermittler“ auftreten. Wer in erster Linie hinter dem libyschen Erdöl her ist und Libyen zu einem gehorsamen Teil der imperialistischen Welt machen möchte, kann nicht für Frieden sorgen. Deshalb war und ist die Berliner Konferenz nicht für eine politische Lösung geeignet. Genauso wie der Moskauer Gipfel wird auch sie kein Ergebnis bringen.

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