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Borbet: WIR HABEN UNSERE RECHTE WAHRGENOMMEN

Am 28. November verkündete das Solinger Räderherstellerwerk Borbet Group Konkurs und gab bekannt die 600 Arbeiter ohne Abfindung entlassen zu wollen.

Die Arbeiter, die mit einem fragwürdigen Konkursbeschluss entlassen und ihrer Rechte beraubt wurden, versammelten sich am 1. Weihnachtstag vor der Fabrik und protestieren mit ihren Familien. 

Auch am 26. und 27. Dezember versammelten sich die Arbeiter und ihre Familien vor dem Werk in Solingen mit Transparenten, auf denen zu lesen war: „Wir wollen unsere Arbeitsplätze“, „Kein Job, keine Zukunft“, „Lasst meinen Vater nicht arbeitslos sein“, „Weihnachten ist das Fest der Liebe; Borbet hat 600 Arbeiter mit „Liebe“ entlassen!“

In ihrer Erklärung gegenüber unserer Zeitung reagierten die Arbeiter sowohl gegen den Arbeitgeber als auch gegen eine Mehrheit des Betriebsrates (BR), die die Entscheidung in Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber gebilligt hatten und erklärten: „Wir werden unsere Rechte von nun an selbst verteidigen, wir wollen nicht Opfer dieses Szenarios werden, welches der Arbeitgeber seit zwei Jahren vorbereitet, um billigere Arbeitskräfte zu beschäftigen. Wir werden unsere Rechte bis zum Ende verteidigen und wenn nötig, werden wir uns jeden Tag hier versammeln, um uns Gehör zu verschaffen“. Sie erklärten, dass sie die Protestaktion vor der Fabrik fortsetzen wollen und riefen alle Beschäftigten auf, mit ihren Familien zu protestieren. Auf der anderen Seite laufen viele Gerichtsverfahren, da der Arbeitgeber die Arbeiter durch das Angebot einer dreimonatigen Übergangsfrist (Transfergesellschaft) dazu bringen wollte, den Entlassungsbeschluss ohne Abfindung zu unterzeichnen. Das hat die Mehrheit der Arbeiter abgelehnt.

Während der Proteste wurde die Vorderseite des Hauses von Margot Borbet, der Eigentümerin der Borbet-Gruppe in Solingen, abgesperrt. Es wird erwartet, dass in den kommenden Tagen mit Unterstützung der IG Metall größere Proteste organisiert werden.

 

‚WIR HABEN NICHTS MEHR ZU VERLIEREN!‘

Ali Çankaya, der seit vielen Jahren bei Borbet arbeitet und auch Betriebsrat ist, äußerte sich gegenüber unserer Zeitung zu den Entwicklungen wie folgt:

„Wir sind heute hier, weil wir für unsere Rechte eintreten. Der Arbeitgeber wollte unsere Löhne um 25 Prozent kürzen, während die Inflation durch die Decke flog und sich alles verteuerte. Als dies nicht geschah, sagte er: „Wir machen Verlust“, brachte die Fabrik Schritt für Schritt in den Konkurs und warf 600 Arbeiter auf die Straße, ohne eine Entschädigung zu zahlen. Wir glauben, dass dieser Konkursbeschluss geplant war. In anderen Unternehmen der Borbet-Gruppe außerhalb Solingens sind die Löhne deutlich niedriger als hier. Außerdem sind die Räder, die in der Borbet Solingen hergestellt werden, in Bezug auf Qualität und Arbeitsaufwand qualitativ besser als in anderen Fabriken, so dass es kein Luxus ist, dass die Löhne der Arbeiter hier höher sind. Der Arbeitgeber kündigte daher an, den Tarifvertrag nicht mehr anzuerkennen, und legte einen Plan für eine 25-prozentige Lohnkürzung vor. Aber der alte Betriebsrat hat dies nicht akzeptiert. Dann brachten sie das Unternehmen mit Unterstützung des neu gewählten Betriebsrats Schritt für Schritt in den Konkurs. Sie stellten 40-50 Leiharbeiter für das Unternehmen ein, wo es doch hieß, es gehe in Konkurs, doch die Aufträge liefen gut. Wie konnte es dazu kommen, dass sie dann Konkurs anmeldeten? Da gibt es viele Fragezeichen. Der neu gewählte Betriebsrat ist mitverantwortlich für diese Ereignisse, denn er hat keine Einwände erhoben, er hat nicht gegen die Entscheidungen zum Nachteil der Arbeiter verhandelt, er hat den Wünschen des Arbeitgebers zugestimmt“.

Çankaya weist darauf hin, dass die Diskussionen bei Borbet Solingen eigentlich schon seit Jahren laufen und dass sich aufgrund der Spaltung des Betriebsrats bisher keine klare Position zugunsten der Arbeiter herauskristallisiert hat. Auf unsere Frage, was die Borbet-Arbeiter erwarten, antwortete Cankaya wie folgt: „Die Arbeiter befinden sich jetzt in einem völligen Vakuum, es gibt kaum Hoffnung auf eine Rückkehr zur Arbeit, aber trotzdem haben die meisten Arbeiter eine Kündigungsschutzklage eingereicht. Dies ist unerlässlich, um Ansprüche geltend machen zu können, wenn das Werk jemals wieder in Betrieb genommen wird und die Produktion aufnimmt. Denn unsere Kollegen, die sich bereit erklärt haben, in die Transfergesellschaft zu wechseln, können keine Rechte mehr geltend machen, wenn dieser Ort die Produktion wieder aufnimmt.“

 

WIR WERDEN UNSERE RECHTE BIS ZUM ENDE EINFORDERN

Ayhan Türkoğlu ist ein Borbet-Arbeiter, der mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen an dem Protest teilnahm. Türkoğlu bezeichnet die Entwicklungen als eindeutige Ungerechtigkeit und beschreibt seine Gefühle und Gedanken wie folgt:

„Wir akzeptieren nicht, was der Arbeitgeber tut, das ist Diebstahl. Wir haben jahrelang die hochwertigsten Räder in Europa hergestellt und dem Arbeitgeber Millionen von Euro eingebracht und dann wollte man uns die Löhne kürzen, indem man sagte, wir würden Verluste machen. Als sie das nicht geschafft haben, wollten sie uns die Kosten aufbürden, indem sie einen fragwürdigen Konkursbeschluss fassten. Bis vor kurzem brachten sie Tonnen von Aluminium in die Fabrik, die sie nun schließen wollen? Man kann die Schließung des Unternehmens, das in diesem Sektor führend ist, nicht verstehen. Wir machen keine Verluste, wenn es keine Probleme in der Produktion und im Verkauf gibt. Sie haben uns nicht nur unsere Arbeitsplätze weggenommen, sondern auch alle möglichen Methoden angewandt, um unsere Abfindungen nicht zu zahlen, und sie wollen, dass die Arbeiter unterschreiben, dass sie in die „Transfergesellschaft“ wechseln.

Wir wissen jedoch, dass wir keine Rechte geltend machen können, wenn wir dies akzeptieren und unseren Ausstieg unterschreiben. Daher werden wir nicht unterschreiben und versuchen, unsere Rechte vor Gericht einzuklagen. Bei Borbet sind nicht nur 600 Arbeiter die Opfer, sondern 3-4 Tausend Menschen mit ihren Familien sind von dieser Ungerechtigkeit betroffen. Deshalb sind wir mit unseren Familien hier und wir appellieren auch an die Stadt Solingen, denn die Schließung des Werkes wird auch dieser Stadt schaden.“ (Solingen/NL)

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