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Bürgerbegehren 365 €-Ticket in Nürnberg

Alev Bahadir

Das 365 € -Ticket ist bereits seit langer Zeit eine zentrale Forderung der linken Kräfte in Nürnberg. Özlem Demir und Titus Schüller sind Mitglieder der Stadtratsgruppe der LINKEN im Nürnberger Stadtrat. Sie beide gehören zu den Initiatoren des Bürgerbegehrens „365 €-Ticket“. Wir haben uns mit ihnen über das Bürgerbegehren und den Öffentlichen Nahverkehr unterhalten.

Warum ein 365 €-Ticket? Was ist die Intention dahinter?

Das 365 €-Jahresticket für alle und das 15 €-Monatsticket für Auszubildende, Schüler, Studierende, Aufstocker, Erwerbslose und Armutsrentner sollen die Fahrpreise für den Öffentlichen Nahverkehr deutlich senken.

In Nürnberg wäre dies eine Halbierung der aktuellen Ticketpreise. Ziel ist es, Mobilität für alle zu ermöglichen, unabhängig vom Einkommen. Damit wollen wir den Nahverkehr stärken und attraktiv für alle machen, die ihr Auto stehen lassen und auf die Öffentlichen Verkehrsmittel umsteigen möchten. Aber auch diejenigen entlasten, die auf die Öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen sind. Für uns ist der kostengünstige Nahverkehr eine Antwort, wie man Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit verbindet.

Es gibt ja bereits in anderen Städten ähnliche Modelle. Lassen die Menschen tatsächlich das Auto stehen, wenn das Ticket günstiger ist?

Es gibt Städte, die solche Verkehrskonzepte bereits erfolgreich umgesetzt haben. Zu nennen wären hier Wien, Oslo, Kopenhagen oder Tallinn. Die Gemeinsamkeit ist, dass die Verkehrskonzepte verstärkt auf den Ausbau der Öffentlichen Verkehrsmittel gesetzt haben sowie auf eine Senkung der Ticketpreise. Wien zum Beispiel hat in diesem Zuge das 365-Euro-Ticket eingeführt. Seit der Einführung 2012 hat sich dort die Zahl der Jahreskartenbesitzer bis 2018 verdoppelt. Im Ergebnis kann man feststellen, dass durch einen kostengünstigen Nahverkehr die Zahl der Fahrgäste steigt. Insbesondere dann, wenn das Netz gut ausgebaut ist. In Nürnberg haben wir bereits eine gute Infrastruktur der öffentlichen Verkehrsmittel. Es ist also davon auszugehen, dass ein Teil der Bevölkerung mit einem 365 €-Ticket vom Auto auf die Öffentlichen umsteigen werden.

Wie läuft das mit dem Bürgerbegehren? Gibt es Zuspruch / Ablehnung? Welche Herausforderungen gibt es?

Die Forderungen des Bürgerbegehrens gehen mit dem 365 €-Jahresticket für alle und dem 15 €-Monatsticket für Azubis, Schüler, Studierende und Erwerbslose, Aufstocker und Armutsrentner ja sehr viel weiter, als das inzwischen von der Stadt Nürnberg beschlossene 365 €-Jahresticket nur für Schüler und Azubis. Die Umsetzung, so wie sie jetzt kommt, zeigt wie weit die Nürnberger GroKo von SPD und CSU von einer sozialen Verkehrspolitik entfernt sind. So können jetzt zwar Auszubildende für 365 Euro im Jahr die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen, für die Schüler hingegen ist das 365 €-Ticket zum Teil eine Preissteigerung.

In den Gesprächen mit den Menschen und den Mails, die uns erreichen, wird deutlich wo der Schuh drückt. Viele können auf ein Auto nicht verzichten, wollen es aber öfter stehen lassen. Im Moment sind die hohen Preise aber entweder abschreckend oder schlicht so hoch, dass die Menschen sich beides nicht parallel leisten können. Andere wiederum stoßen mit den aktuellen Preisen schlicht an ihre Grenzen. Insbesondere Arbeitslose, Alleinerziehende, Aufstocker und Armutsrentner. Aktuell übersteigt der Preis für das günstigste Ticket den Betrag, den ALG II für die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel vorsieht. So muss dann an anderer Stelle gespart werden. Zudem sind die Ausschlusszeiten von 6.00 bis 8.00 Uhr besonders für die Aufstocker ein großes Problem, da sie da schon in die Arbeit müssen. Entsprechend ist der Zuspruch für das Bürgerbegehren sehr groß.

Ihr habt jetzt so viele Unterschriften gesammelt, wie seht ihr die Erfolgsaussichten?

Nach den vielen Preiserhöhungen der letzten Jahre ist das Bedürfnis nach Preissenkungen sehr groß. Wir merken das an den Reaktionen der Menschen. Der Zuspruch ist überwältigend und sehr viel höher, als wir das gehofft hatten. Seit dem Start sind bei uns über 750 Postbestellungen für Unterschriftenlisten eingegangen. Das ist deutlich mehr als wir erwartet hatten und musste zunächst bewältigt werden. Inzwischen sind wir darauf eingestellt und haben es im Griff. Daneben läuft viel über die über 80 Sammelstellen im ganzen Stadtgebiet. Auf der Webseite wurden 4500 Exemplare der Listen heruntergeladen und im Moment gehen ca. 150-200 Unterschriften pro Tag bei uns ein.

Das zeigt uns auch, dass wir die Menschen mit dem Bürgerbegehren wirklich aktivieren. Das ist toll.

Nichtsdestotrotz haben wir noch eine Menge Arbeit vor uns, um die anvisierten 14000 Unterschriften zu sammeln. Daher sind wir froh und dankbar für jede Unterstützung. Alle Informationen zum Mitmachen sind unter www.365vag.de zu finden.

Stand 28.12.2019 haben wir bereits über 8500 Unterschriften. Gesammelt wird bis 1. März. Bis dahin müssen alle Unterschriften bei uns oder an den Sammelstellen abgegeben werden. Danach werden wir das Bürgerbegehren einreichen. Über den Antrag auf den Bürgerentscheid wird der neu gewählte Stadtrat in der ersten Sitzung im Mai entscheiden. Es wird sich zeigen, wie die Mehrheitsverhältnisse sind. Stimmt der Stadtrat zu, wird das Begehren umgesetzt. Lehnt er ab, kommt es zum Bürgerentscheid. Wir blicken beiden Möglichkeiten optimistisch entgegen. Bisher haben SPD und CSU ihre Ablehnung gegen das Bürgerbegehren ausgesprochen. Unterstützung des Begehrens durch einzelne Politiker anderer Parteien als der Partei DIE LINKE sind uns nicht bekannt. Zwar wird die Idee des 365 €-Tickets begrüßt, die Umsetzung scheut man aber.

Wie sieht eure Zukunftsversion für den ÖPNV in der Stadt Nürnberg aus?

Die deutliche Senkung der Ticketpreise sehen wir als eine von mehreren Maßnahmen für eine bessere Verkehrspolitik in Nürnberg. Grundsätzlich brauchen wir eine neue Prioritätensetzung zugunsten des öffentlichen Nahverkehrs.

Was es braucht, ist jetzt die Halbierung der Ticketpreise. Zum einen, um die Menschen zu entlasten und zum anderen, um den Nahverkehr attraktiver zu machen. Als Gegenfinanzierung schlagen wir die Umschichtung der Haushaltsmittel vom Autoverkehr hin zum Nahverkehr, eine Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung und eine Beteiligung der Wirtschaft durch eine leichte Anhebung der Gewerbesteuer vor. Auch die zu erwartenden Steigerungen der Abonnenten fängt ein Teil der Mehrkosten auf. Zusätzlich braucht es einen kontinuierlichen Ausbau der Infrastruktur und die Verdichtung der Taktzeiten. Ebenso eine Ausweitung des Angebots in der Nacht – auch unter der Woche.

Um die steigenden Fahrgastzahlen zu bewältigen, gibt es auch kreative Ideen. So fangen zum Beispiel die Schulen in München versetzt an. Das entlastet die Strecken zu den Stoßzeiten. Dies ließe sich auch in Nürnberg gut umsetzen.

Perspektivisch wünschen wir uns einen kostenlosen Nahverkehr für alle. Da sehen wir vor allem die Bundes- und Landesregierung in der Verantwortung. Das wäre ein gelungener Beitrag für eine sozial -gerechte Mobilität und echten Klimaschutz.

Mit dem Bürgerbegehren gehen wir jetzt einen konkreten Schritt in diese Richtung.

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