Written by 21:00 HABERLER

Corona-Kritik ja, aber bitte nicht mit Rechten!

Gamze Karaca

Die Bilder und Aufnahmen der sogenannten Corona-Demo in Berlin sorgten deutschlandweit für Empörung. Es versammelten sich Zigtausende Menschen, viele aus unterschiedlichsten Beweggründen. So unterschiedlich, dass man schnell den Überblick darüber verlieren kann. Eins steht jedoch fest: die Bedenken oder Kritiken, die ein Teil der Teilnehmenden solcher Demos haben, sind natürlich nachvollziehbar. Die vermeintlichen Lösungen, die hineingetragen werden oder der Schulterschluss mit Rechten und Nazis allerdings nicht. 

Rechte nutzen bekanntlich derartige Demonstrationen für sich 

Von wüsten Verschwörungstheorien bis hin zu rechten Strukturen war und ist alles vorhanden. Vor allem sind es Rechte, die Veranstaltungen gegen die Corona-Maßnahmen wohl dominierten. Aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion geht hervor, dass es in den vergangenen Monaten bundesweit mehr als 90 Kundgebungen gab, bei denen Rechte den Ton angaben. 

In Berlin waren es am letzten Augustwochenende Reichsbürger, Neonazis sowie Rechtsextreme und Mandatsträger der AFD, die dem mittlerweile aufgelösten ,,Flügel“ zuzuordnen sind, darunter auch Björn Höcke, der sich während der Kundgebung filmen lies. In dem veröffentlichten Video ist ein sichtlich begeisterter Björn Höcke zu sehen, der der Ansicht war, „dass hier und heute in Berlin Geschichte geschrieben wird“.

Dass Rechte sich vor den Reichstag mit der Reichsflagge versammeln und diesen „stürmen“, war allerdings abzusehen: Bereits einige Tage zuvor hatten Vertreter der rechten Szene zum „Sturm auf Berlin“ aufgerufen und dieses Vorhaben in den sozialen Netzwerken verbreitet. 

Bereits die Anti-Corona-Demonstration am 1. August in Berlin hatte gezeigt, welche Gruppen sich unter die Demonstrierenden höchstwahrscheinlich mischen würden. Die Warnzeichen waren da, dass der Verfassungsschutz diese allerdings bewusst ignorierte, sagt erneut einiges über seinen Zustand aus.

Selbstverständlich ist es nicht richtig, einen Teil derer, die am letzten Augustwochenende mitdemonstriert haben, als Rechte oder Nazis zu bezeichnen. Es war in der Tat eine ziemlich heterogene Gruppe vorzufinden, die aus den unterschiedlichsten Motiven an der Demonstration teilnahm: Neben Reichskriegsflaggen waren Regenbogenfahnen zu sehen, Rechtsextreme marschierten neben Impfgegnern, Trump- als auch Putin-Sympathisanten trugen ihren Protest auf die Straße, nicht zu vergessen die vielen Gandhi-Porträts und die vielen bekennenden Humanisten, die neben überzeugten Neonazis liefen. Es war von Friedensparolen bis hin zu antidemokratischen, politischen Botschaften alles dabei. Dieser Umstand war allerdings für alle Beteiligten schon während der Demonstration sichtbar und hat gezeigt, mit wem man da eigentlich gemeinsame Sache macht. Daher ist es schwierig, am Ende des Tages zu sagen, er oder sie hätte es ja nicht gewusst. 

Abgrenzung möglich oder nicht gewollt?

Nun wird nach den Bildern der Corona-Demo in Berlin die Forderung laut, sich ganz klar und deutlich von Rechten vor allem während einer Demonstration zu distanzieren. Viele Teilnehmende betonten, nichts mit rechtem Gedankengut zu tun zu haben. Es stellt sich allerdings die Frage, ob eine Abgrenzung überhaupt möglich oder gar gewollt ist. Selbstverständlich darf nicht derselbe Fehler wie zuvor bei den Pegida-Demonstrationen gemacht werden, bei denen vorschnell die Teilnehmenden größtenteils als rechts abgestempelt wurden. Nichtsdestotrotz kann es nicht verhindert werden, sich davon zu distanzieren, wenn es zur Strategie von Rechten gehört, bei Bürgerprotesten mitzuwirken und jene mit bestimmten Merkmalen wie Parolen zu politisieren und zu radikalisieren. Diese Strategie ist vor allem seit Pegida bekannt. Es ist zu erwähnen, dass das Unbehagen an der Demokratie als auch die Ablehnung dessen, sowie die Sehnsucht nach autoritären Verhältnissen, die Reichsbürger, AfD-Mitglieder und Maskengegner inhaltlich miteinander kreuzt. Die Feindlichkeit der Wissenschaft gegenüber als auch der Glaube an die eine und eigene Wahrheit werden von rechten Strukturen mit angeblichen Lösungen, die einfach scheinen, aufgenommen und radikalisiert. Neben den wirklichen Sorgen und Ängsten sind es vor allem hasserfüllte Gedankenwelten, die zu antidemokratischen und menschenverachtenden Orientierungen führen. 

Corona ist ein Symptom

Wie bereits erwähnt, sind die Ängste und Sorgen einiger Teilnehmenden nachvollziehbar und auch ernst zu nehmen, die insbesondere sich in Zeiten von Corona verstärkt herauskristallisieren. In Krisenzeiten werden die tieferliegenden Ursachen besonders deutlich. Seien es die negativen Folgen der Globalisierung oder vor allem die Spaltungen auf sozialer und kultureller Ebene, die sich in solchen Zeiten besonders bemerkbar machen. Auch kommen Themen wie das Bildungssystem, die Arbeitswelt als auch der Klimawandel hinzu. Für all das bedarf es Antworten, die sich die Politik derzeit nicht annimmt und somit viele Menschen die einzige Lösung darin sehen, mit ihren Ängsten und Sorgen auf die Straße zu gehen. Vor allem ziehen sich die Folgen der Corona-Maßnahmen bis heute hin und scheinen kein Ende zu nehmen.

Freilich sollte uns bewusst sein, mit Personen, die mit realen Ängsten und Sorgen diese Zeit durchleben, ins Gespräch zu kommen und nicht in die rechte Ecke zu drängen, auch wenn Herausforderungen damit einhergehen. 

Nichtsdestotrotz darf auch nicht vergessen werden, dass es von Anfang an bekannt war, dass rechte Strukturen sich unter den Demonstrierenden mischen würden. Spätestens nach deutlichen Warnzeichen hätten jene Demonstrierenden, die ihren Protest ausschließlich gegen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung auf die Straßen tragen wollten, die Demonstration verlassen und sich ganz klar dagegen positionieren müssen. Die Reichsflagge, die oft ein Erkennungszeichen von Neonazis ist, als auch (antisemitische) Verschwörungstheorien und die Verharmlosung des Holocausts waren allgegenwärtig auf den bisherigen Demonstrationen. Wer sich nicht ganz klar und deutlich davon distanziert, macht sich schuldig und unterstützt die Ideologie der Rechten, die durch so ein Verhalten salonfähig gemacht wird.

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