In der Partei Die Linke kriselt es schon seit einiger Zeit. Intern, wie im politischen Wirken. Bei der letzten Bundestagswahl 2021 konnte die Partei deshalb nicht mal mehr die 5% Hürde überwinden und kam nur über ihre gewählten Direktkandidaten als Fraktion in den Bundestag. Seitdem spitzen sich die innerparteilichen Kämpfe weiter zu. Vor den Sommerferien kam es zu einer Spaltung bezüglich der Waffenlieferungen in die Ukraine und in der Frage, wie zu Russland zu stehen sei, als dann außerdem Vorwürfe von Belästigung öffentlich wurden, wurde die interne wie öffentliche Debatte noch hitziger. Zuletzt wollte man mit dem Erfurter Parteikongress die Streitereien der letzten Wochen besänftigen und gestärkt in eine neue Phase starten, doch auch dieser Versuch endete mit einem Fiasko. Auf demselben Parteitag wurden die Entscheidung der Bundesregierung unterstützt, Russland mit Sanktionen zu verhängen, zudem wurden Fürreden gehalten, die Ukraine mit Waffen auszustatten. Die Debatte darum, wie man auf die Inflation bzw. die Verteuerung der Lebenserhaltungskosten reagieren müsse, wurde von Seiten des Vorstands bzw. seiner bekanntesten Vertreter beschlossen, keinen Protest auf die Straße zu tragen. Die Gefahr der Beteiligung und Provokation von Rechten sei zu hoch. Trotz dieser Haltung des Parteivorstandes rief der Leipziger Abgeordnete Sören Pellmann am 5. September zum Protest auf und entfachte einen neuen Streit. Pellmann lud u.a. Sarah Wagenknecht ein und dann wieder aus und an ihrer Stelle zwei Vertreter des „Realo“-Flügels, Gregor Gysi und den neuen Co-Vorsitzenden Martin Schirdewan, neu ein. Dafür durfte sie in der Parlamentssitzung zum Haushalt des Wirtschaftsministeriums am 8. September reden und ihre Rede wurde mit viel Kritik – intern wie extern- diskutiert. Wagenknecht, die schon lange nicht mehr für die Partei gesprochen, aber oft mit ihrer persönlichen Meinung in den Medien auftritt, sprach erwartungsgemäß auch im Parlament polarisierend und provozierte teils heftige Entrüstung bei ihren Parteigenossen, die wiederum über die sozialen Medien kundgetan wurden.
Was ist eigentlich das Problem und welche Positionen stehen zur Debatte?
Zuallererst ist die Partei Die Linke von Anbeginn eine Partei verschiedener Strömungen, ideologischer Tendenzen und politischer Organisationen. Mit dieser Gründungsgeschichte ist es ganz normal, dass hemmungslos gestritten wird. Mit abnehmender Wählerschaft hat die Partei jedoch auch ihre Position als linke Oppositionspartei mit medialer Öffentlichkeit verloren und damit auch den, die unterschiedlichen Lager, vereinenden und stärkenden Faktor. Es gibt sie, die linksoppositionellen Kräfte in der Parteibasis. Was fehlt ist die konsequente, progressiv antikapitalistische Opposition als Partei. Zum derzeitigen Punkt schein dieser gemeinsame Nenner die Möglichkeiten der Einigung erschöpft. In der Zeitung „Neues Deutschland“, die bekanntlich der Partei nahe steht, wird laut Max Zeising erklärt: „… scheint der zeitnahe Austritt Wagenknechts und ihres Umfelds wahrscheinlich“. Die bürgerliche Presse titelt schon freudig über den Moment des Zusammenbrechens. Um diesen eigenmächtigen Abgang Wagenknecht zu verhindern, wurde von einem Zusammenschluss von Abgeordneten deutscher Parlamente ein offener Brief mit der Forderung veröffentlicht, die umstrittene Politikerin aus der Fraktion auszuschließen.
Zwei Trends bestimmen die weiteren Entwicklungen
Unabhängig von der Frage, ob oder wann sich die Partei spalten wird, zeigen sich zwei Grundtendenzen, die den weiteren Verlauf der Entwicklungen bestimmen werden.
Die eine Gruppe, die die Politik der Partei derzeit maßgeblich beeinflussen, sind die Kräfte der mehrheitlich in den ostdeutschen Bundesländern befindlichen ehemaligen PDS-Kräfte. Sie streben in Koalition mit den Grünen und der SPD vor allem Regierungsbeteiligungen auf regionaler und Bundesebene an und haben die Interessen der arbeitenden Bevölkerung weitestgehend aus den Augen verloren. Diese Gruppe versucht sich demnach mehr im kapitalistisch-imperialistischen System zu integrieren, aus diesem Grund muss von ihnen auch die Linie der Partei in Bezug auf die NATO, der Entsendung von Truppen ins Ausland und der Waffenverkäufe ins Ausland geändert werden.
Die Kräfte, die sich jetzt „Populäre Linke“ nennen und teils mit Wagenknecht in Verbindung gebracht werden, befürworten eine Rückkehr zu den Gründungsprinzipien der Linkspartei. Allerdings fordern Oskar Lafontaine und Wagenknecht, ohne es zu verschleiernd, offen einen Ansatz, der auch die Interessen der Mittelschichten, also des nationalen Kapitals mitverfolgt. Während sie zum einen wichtige Themen, wie die Mehrbesteuerung von Monopolen und mehr soziale Hilfen für Armutbetroffene fordern, lenken sie die Aufmerksamkeit vor allem auf nationale Interessen, um auch das von rechts eingenommene Klientel wieder für sich zu gewinnen. Einen ähnlich linksnationalistischen Ansatz verfolgt auch der französische Politiker Jean Luc Melenchon, der bei den letzten Präsidentschaftswahlen den dritten Platz erreichte.
Leider gibt es in der Linkspartei und den Akteuren, die ihre Politik lenken, nur eine Minderheit, die sich um die dringenden Forderungen der Werktätigen bemühen werden.
Am wichtigsten ist, dass die Linkspartei keine Perspektive mehr für eine vereinte soziale Opposition der „Linken“ bietet. Aus diesem Grund sollten vor allem diejenigen Kräfte gestärkt werden, die an der Basis der Partei arbeiten, ohne den Kampf der dringenden Forderungen auf das Parlament zu beschränken.
Die deutsche progressive Opposition braucht unter Berücksichtigung bisheriger Erfahrungen eine neue Plattform, auf der sie sich vereint. Und das sehr dringend.