Written by 08:54 HABERLER

Der Kapitalismus – bedrohlicher als „Corona“!

Diethard Möller *

Das […] Sars Cov2-Virus traf eine schon krisenhafte kapitalistische Wirtschaft, die gerade in die Rezession rutschte, anscheinend unvorbereitet. Die jahrzehntelange Krise der Weltwirtschaft untergrub sie fast bis zum Garaus: ständiges „Gesundschrumpfen“, Zerstörung aller sozialen Rechte und Institutionen, von IWF und Weltbank erzwungene Deregulierung aller sozialen Bereiche weltweit, Ruinierung und Privatisierung in zahlreichen Staaten und deren erpresste Öffnung für die verheerenden Geschäfte des internationalen Kapitals, für rücksichtslose Bodenspekulation, Inbesitznahme der Ressourcen und Rohstoffe, Landraub, Verwüstung der Umwelt.

Nun wird weltweit mit dem so genannten Shut Down reagiert, Grenzen werden geschlossen, ganze Wirtschaftsbereiche […] bekommen ihren Betrieb untersagt, […] Millionen Menschen verlieren ihre Jobs […]

In entwickelteren Ländern wie Deutschland ist das Gesundheitswesen einigermaßen kapitalstark (ja!), hat große Krankenhäuser und Millionen-teure Ausrüstungen, beschäftigt ärztliches, pflegerisches und unterstützendes Personal. Aber es ist der kapitalistischen Kosten-Kalkulation, einem gnadenlosen ökonomischen Terror unterworfen, wieder tragen die Beschäftigten die gravierenden Folgen. Es soll den „Investoren“ Milliardengewinne bringen, keine gesunden Menschen. […] Deshalb liegen für eine Pandemie lebenswichtige Gesundheitsgüter nicht auf Lager. Das sind für das Kapital unnütze Kosten. […] Sie sparen weiter kaputt […] Das Ergebnis sehen wir. Ausbaden müssen es die arbeitenden Menschen in Produktions- und Handelsbetrieben, in Transport, Logistik und Tourismus, all die Werktätigen in prekären Einzel- oder kapitalarmen Minibetrieben […] während sich eine winzige steinreiche Klasse, über gewaltige Finanzmittel frei verfügender Kapitalisten alles Notwendige locker leisten kann, die im Übrigen das Coronavirus auch treffen kann und trifft, wenn auch deutlich schwächer, da sie sich allerbeste Versorgung leisten können.

Eine historisch neue Situation!

Aber nun deutet sich eine historisch neue Situation an. Wir greifen hier bis auf die theoretische Grunderkenntnis von Karl Marx zurück, auf seine Formel für „Kapital“: G – W – G´!

Klartext: Kapital ist Geld (G), das ausgegeben wird um Waren (W) zu erwerben, um diese dann wieder mit Gewinn, Profit (G´) loszuschlagen. Marx wies nach, dass die wichtigste Ware (W), die Kapitalist/innen kaufen können, die Ware Arbeitskraft ist, also Menschen mit Arbeitsvermögen, die er beschäftigen, ausquetschen und ausbeuten kann. Er kauft also die Ware Arbeitskraft sowie Rohstoffe, Maschinen und anderes, um damit Waren zu produzieren. Denn nur im Prozess der Produktion wird durch den Einsatz der Arbeitskraft neuer und höherer Wert geschaffen, nicht durch den Handel. Die von den Arbeitern geschaffenen Produkte sind […] viel mehr wert als das vorgeschossene, investierte Kapital, und sie gehören den Kapitalisten. Sie können sie […] verkaufen und den Mehrwert einstecken. Und sie treiben diesen Prozess immer weiter, investieren immer neu… Da sie alle das in Konkurrenz zueinander tun, zwingt sie das zu möglichster Kostenkontrolle, Rationalisierung, technischer Neuerung, ständiger Einsparung der menschlichen Arbeitskraft, von der aber der „Mehrwert“ abhängt, den das Kapital so nötig will. Die Folge ist oft Massen-Erwerbslosigkeit. Unauflösbarer Widerspruch im Reich des Kapitals und des Kapitalismus! […]

„Corona“ befällt nicht nur Menschen

[…] G -W- G´ gilt übrigens unverändert auch in Zeiten des Monopol-, des Finanzkapitals und des spekulativen Kapitals – wie man gerade aktuell gut erkennen kann.

Wenn Fabriken und große Teile des Handels zwangsgeschlossen werden, entfällt für die Verkäufer-Kapitalisten „G´“, also die Realisierung des Gewinns.

Wo Millionen Menschen nicht mehr arbeiten dürfen bzw. nicht arbeiten können, weil kein Absatz, keine Nachfrage mehr für ihre Produkte besteht oder aber weil sie untereinander nicht das Virus weitergeben sollen, ist W, also die vom Kapital zur Mehrwertschaffung und -realisierung benötigte menschliche Ware nicht mehr bzw. sehr eingeschränkt verfügbar.

[…]

Der Kapitalismus eröffnet so einen kurzen Blick auf sein mögliches Ende. Wo sowohl der profitable Verkauf, als auch der Erwerb vieler notwendiger Waren, vor allem auch der Ware Arbeitskraft in Frage steht, ahnt das Kapital sein Ende!

Noch ist es nicht so weit. Die Chancen, die Krise in den Griff zu bekommen, sind durchaus da, aber den Preis – den bezahlen die Arbeitenden, die Werktätigen, nicht das Kapital, wenn es nach letzterem geht, wenn es nach dem Willen der Herrschenden geht.

Es gibt gar keinen echten Shut-Down! Schließt endlich die Zockerbuden!

[…] Banken, Börsen, die Währungsspekulation, Wetten gegen ganze Währungen und Volkswirtschaften, Finanzspekulationen aller Art einschließlich der dazugehörigen Kapitalmassen haben keinen Shut Down. Keiner der Mächtigen stellt die Ansprüche der Haus-,Grund- und Immobilienbesitzer auf Mieten, Pachten in Frage, niemand die Zins- und Tilgungsforderungen auf Hypotheken und Kredite. Mit allen möglichen Titeln darf ungebremst weiter spekuliert und gezockt werden, und es wird spekuliert und gezockt. Ohne dass die Zockerbuden geschlossen werden, kann von einem Shut down gar keine Rede sein, sondern von einer erneuten Umverteilung von unten nach oben! Die Folgen sind so einfach wie dramatisch. Dass jeder spekulative Kredit- oder Anleihe-Titel eine legale, also eintreibbare Forderung darstellt, solange er aufgrund halbwegs legaler Börsen-, Bank- oder Finanzregeln zustande kam, solange also der übliche weltweite Finanzkapitalismus nicht in Frage gestellt ist, gehen die kleinen vor die Hunde, damit sich die Großbanken etc. sanieren können bzw. weitgehend ungeschoren durch die Krise kommen. Konkret: Hunderte Kleinfirmen, hunderttausende Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel, weil sie nicht mehr zahlbare Forderungen begleichen müssen, während sie gleichzeitig keine oder minimale Einnahmen verkraften müssen. So viele Billionen Euro, um sie alle zu retten, gibt es nicht. Berlin, die EU, Trump, sie machen ungedeckte Versprechungen. Da aber die Wirtschaft nahezu stillsteht und gar kein Mehrwert geschaffen wird, führt die derzeitige Politik zu einer noch dramatischeren Aufblähung der Staatsschuld auf allen nationalen wie internationalen Ebenen. Staatsschulden begleichen aber die arbeitenden Menschen: Mit Sozialabbau, Steuern, Steuererhöhungen, „Solidaritätszuschlägen (Solis)“ und was auch immer den Herrschenden einfällt, um die arbeitenden Menschen zu schröpfen.

Auch das Kapital seinerseits steht in den Startlöchern: Zur angeblichen Rettung von Arbeitsplätzen werden sie weitere Lohnsenkungen fordern, Tarifbruch, Arbeitszeitverlängerung, weitere Flexibilisierung, zu der auch das heute so beliebte Home-Office gehört! Nicht zufällig wird das von den bürgerlichen Parteien so gelobt!

[…]

Ermutigende Signale!

Unter dem Deckmantel der „Corona“-Maßnahmen lauert die nächste Offensive des Kapitals! Die großen Kapitalhaie haben die kleinen Unternehmen, die es kaum schaffen werden, längst abgeschrieben und verbuchen deren Beschäftigte und Minichef/innen als willkommene Lohndrücker für den Fall, dass „die Wirtschaft wieder anspringt“. Die Ausweitung der Arbeitszeitbestimmungen auf 12-Stundentage bzw. 60-Stundenwochen müssen wir Arbeiter/innen erst mal wieder vom Tisch bekommen! Wie wir so vieles im Kampf werden zurückweisen oder zurückerobern müssen. Die Rückeroberung unserer zusammengestrichenen demokratischen und politischen Rechte ist überfällig!

[…]

‚ Die ungekürzte Version ist hier zu finden: https://www.arbeit-zukunft.de/2020/04/30/der-kapitalismus-bedrohlicher-als-corona/

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