Die Forderung nach der 4-Tage-Woche, die eine Arbeitszeit von 32 Stunden bei vollem Lohnausgleich beinhaltet, wird in der Tarifverhandlung im November gestellt. Die 4-Tage-Woche wäre „für die Lebensqualität und die Gesundheit ein großer Fortschritt“, findet Stahl-Verhandlungsführer Knut Giesler. Er will die 4-Tage-Woche Ende April als Vorschlag in die Tarifkommission einbringen. Der Vorschlag kam von der IG-Metall-Verhandlungskommission, der auch zahlreiche Betriebsräte aus Stahlbetrieben angehören. Genauer gesagt, geht es um eine 4-Tage-Woche mit 32 statt 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich. „Die bisherigen Rückmeldungen aus den Belegschaften sind ausgesprochen positiv.“
„Die 4-Tage-Woche wird seit Jahren von der IG-Metall nicht nur gesellschaftlich vorangetrieben, sondern auch konkret umgesetzt“, erklärt Jörg Hofmann, erster Vorsitzender der IG Metall. „Die Forderung, in der Stahlbranche die 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich umzusetzen, zielt erstmals auf einen kollektiven, tariflich abgesicherten Anspruch für Beschäftigte einer ganzen Branche. Das ist ein nächster Schritt in eine attraktive industrielle Arbeitswelt, die Leben und Arbeit gut vereinen lässt“.
Soll die IG Metall Ende des Jahres mit der Forderung nach einer 4-Tage-Woche in die Tarifrunde in der Stahlindustrie gehen? Darüber diskutieren aktuell die Mitglieder der Tarifkommission in der nordwestdeutschen Stahlindustrie.
Bei ThyssenKrupp etwa können die Beschäftigten ihre Wochenarbeitszeit zwischen 33 und 35 Stunden selbst wählen. Bei Arcelor Mittal in Bremen sind ebenfalls 32 Stunden möglich. Die beiden Konzerne machen schon fast die Hälfte der Stahl-Beschäftigten in Deutschland aus. „Mir kann also niemand erzählen, dass das nicht geht“, erklärt Knut Giesler, Verhandlungsführer und Bezirksleiter der IG Metall NRW. „Wir wissen ja, dass es funktioniert.“ Die Arbeitgeber der Eisen- und Stahlbranche hingegen behaupteten, dass es sehr schwierig sei, diese Forderung umzusetzen.
Die Verkürzung der Arbeitszeit war schon immer wichtig
Der 8-Stunden-Tag war Ende des 19. Jahrhunderts eine zentrale Forderung – insbesondere der IG Metall: 1984 sah die IG Metall in der Metall- und Elektroindustrie die Arbeitszeitverkürzung als Mittel gegen die Massenarbeitslosigkeit, aber auch um dem Motto „Mehr Zeit zum Leben, lieben, lachen“ gerecht zu werden. In einem etwa siebenwöchigen Streik erreichte sie eine schrittweise Reduzierung auf die 35-Stunden-Woche.
1993 einigte sich die IG Metall mit Volkswagen auf ein Arbeitszeitmodell, das eine Arbeitszeit von vier Tagen in der Woche für VW-Beschäftigte einführte.
2003 wurde in der Tarifauseinandersetzung eine 35-Stunden Woche für Metallarbeiter in Ostdeutschland gefordert, die nach einem vierwöchigen Streik jedoch zu keinem Ergebnis führte.
Auch wenn das Thema Arbeitszeitverkürzung nach dieser Niederlage in den Hintergrund geraten war, diskutierten Gewerkschafter hin und wieder über den richtigen Zeitpunkt für dieses Thema.
Von der IG Metall wurde 2017 eine Umfrage unter allen Mitgliedern durchgeführt. Von den 680.000 befragten Mitgliedern hielten 70 Prozent es für wichtig, ihre Arbeitszeit zu reduzieren.
Dabei ist sowohl die Umsetzung der 35 Stunden-Woche als auch die Umsetzung des Vier-Tage Wochenmodells bei VW nicht als exemplarisch dargestellt zu verstehen.
Wie in den nebenstehenden Kästen zu entnehmen ist, ist das Arbeiten an 4 Tagen in der Woche weder neu, noch einzigartig in Deutschland. Die Diskussion um die 4-Tage-Woche hat in der Stahlbranche gerade erst begonnen.
Die Umsetzung in Bremen
Ayhan Zeytin (ArcelorMittal Bremen Betriebsrat)
In Bremen verkürzten rund 1.000 Beschäftigte vor Jahren, zunächst nach einer freiwilligen Betriebsvereinbarung, ihre Arbeitszeit freiwillig um 4 Prozent ohne Lohnausgleich, um alle Auszubildenden, die ihre Ausbildung abgeschlossen hatten, zu übernehmen. Anfangs waren die Chefs mit diesem Schritt nicht einverstanden und wollten selbst entscheiden, wer sich für die Arbeitszeitverkürzung bewerben kann. Jetzt kann jeder ohne Lohnausgleich seine Arbeitszeit um 4 Prozent verkürzen.
Das soll nicht mit 4 Tagen in der Woche gleichzusetzen sein. Und, das ist auch nicht mit der gesetzlich möglichen Teilzeit gleichzusetzen. In einem Punkt des Zukunftstarifvertrags, der vor 2,5 Jahren in Bremen für fünf Jahre abgeschlossen wurde, ist eine Altersteilzeit geregelt. Ungefähr 300 Arbeiter pro Jahr und 1500 Arbeiter in fünf Jahren kommen in das Alter, um solche Verträge abschließen zu können. Aber in fünf Jahren wird nur 375 Arbeitern diese Möglichkeit geboten. Eine 28 Stunden Woche wurde angeboten, wie sie im Tarifvertrag zur Berufssicherung vorgesehen ist, um unter anderem den anderen Beschäftigten eine Chance zu bieten. Mit einem Unterschied: Der Arbeitgeber zahlt 3 Stunden, und nicht 1,75 fehlende Arbeitsstunden. Der Arbeiter arbeitet also 28 Stunden und erhält für 31 Stunden Lohn. Diese Anwendung wird im Mai nächsten Monat umgesetzt. Auch wenn die Debatte in Bremen gerade erst begonnen hat, ist die Arbeitszeitverkürzung bei voller Bezahlung sehr zu begrüßen.
Die Umsetzungen in den anderen Ländern
In welchen Ländern gibt es die 4-Tage Woche oder wurde sie schon eingeführt?
Island hat zwischen 2015 und 2019 eine Regelung getestet und gleichzeitig auch die Arbeitszeit von 40 auf 35 oder 36 Stunden bei gleichbleibender Bezahlung verkürzt. An der Testphase nahmen 2500 Arbeitskräfte teil.
Auch Belgien setzt jetzt auf eine Vier-Tage-Woche – allerdings bei gleicher Arbeitszeit.
Schottland testet derzeit ebenfalls die Vier-Tage-Woche. Die teilnehmenden Unternehmen werden dabei vom Staat mit rund 10 Millionen Pfund unterstützt. Auch in Wales ist die Diskussion bereits angelaufen.
In Schweden wurde bereits 2015 die Vier-Tage-Woche bei vollem Lohn getestet -das Urteil fiel jedoch gemischt aus.
Auch Finnland war kurzzeitig international wegen einer dramatischen Arbeitszeitverkürzung in den Schlagzeilen.
In Spanien soll auf Antrag, der linken Partei Más País die Vier-Tage-Woche erprobt werden.
In Deutschland experimentieren vor allem kleinere Start-Ups mit der kürzeren Woche.
Es zeigte sich bei einem großen Feldversuch in Großbritannien: 61 Unternehmen aus verschiedenen Branchen haben dort das Konzept für sechs Monate ausprobiert und 56 davon wollen es nun weiterführen.
In anderen Ländern wie Japan trauen sich auch Großunternehmen an die Idee. Der Techkonzern Microsoft schickte seine Mitarbeiter für einen Monat ins lange Wochenende.