Sinan Cokdegerli
Nichts lässt das Herz eines wahren Gamers so schnell schlagen, wie die Möglichkeit, mit Gleichgesinnten einmal in aller Öffentlichkeit das eigene Hobby, die Lust und das Vergnügen daran ausleben zu können. Auf der Gamescom stellen die verschiedensten Spieleentwickler und Firmen ihre neuesten Waren zur Schau, geben Einblicke auf zukünftige Ereignisse und werben für sich und die Spielewelt. Eine wichtige Frage zu der diesjährigen Gamescom, der größten Spielemesse seiner Art, stellt sich hier jedoch: Was hat die Bundeswehr auf einer Spielemesse zu suchen?
Zum Hintergrund
Die Gamescom ist mit einer Besucheranzahl von knapp 350.000, ihrer riesigen Messefläche und ihren knapp 900 Angeboten die weltweit größte Messe für Spiele jeder Art, sowie anderer Software und Spielehardware. Seit 2009 besuchen Hunderttausende Gamer aus aller Welt die Gamescom und
verwandeln Köln in einen riesigen Park voller kostümierter Gamer und Spieletouristen.
Die Gamescom ist somit sowas wie das Finale der Fußball–Weltmeisterschaft aus Gamersicht. Wer es einmal im Leben zu der Spielemesse schafft, hat eine Art Pilgerfahrt des exzessiven Gaminglifestyles auf sich genommen und gemeistert. Die meisten Besucher nehmen nicht nur Eindrücke und Trailer zukünftiger Gaming – Blockbuster mit, sondern kaufen direkt vor Ort auch viel an Merchandise und lassen es sich 4 Tage lang gutgehen.
Normalerweise sollte man meinen, dass sich die gesamte Messe rund um die Spielewelt dreht und
eine Art Vergnügungspark für Spieler ist. So ist es in der Regel auch, doch jedes Jahr sind auch
Messeteilnehmer dabei, deren Teilnahme auch in der Gamerszene kontrovers diskutiert wird. Dieses
Jahr versuchte die Bundeswehr mit Panzern und Jugendoffizieren, wieder einmal Jugendliche für den Dienst an der echten Waffe zu werben. Wieder, denn das ist nicht das erste mal, dass die
Bundeswehr auf der Gamescom für sich Werbung machen darf.
Die Bundeswehr ist überall
Die Bundeswehr ist mittlerweile überall, wo man sie sich vorstellen kann. Sie macht Werbung an
Schulen, in denen kaum volljährige Jugendliche sind, an Unis, in Messen, auf offener Straße mit
Jugendoffizieren und Werbeplakaten, sowie überall sonst, wo große Mengen an Jugendlichen sich
versammeln und sie sich erhofft, einige von ihnen für den Krieg begeistern zu können.
Jedes Jahr wirbt das deutsche Militär über 1.000 Minderjährige an, eine Stelle bei ihnen
aufzunehmen und somit zu Berufssoldaten zu werden. Dabei unterschreiben die Jugendlichen
Verträge zwischen 2 und 12 Jahren und haben 6 Monate Zeit, diese zu kündigen, um ohne
Sanktionen aus dem Vertrag aussteigen zu können. In ihrer Ausbildung zum Berufssoldaten
bekommen auch diese Jugendlichen, genauso wie viele weitere Volljährige auch, Waffentraining und alles was zum Morden dazu gehört.
Die Bundeswehr kommentiert die Tatsache, dass nun verstärkt an Schulen und anderen Orten, in
denen eine hohe Anzahl an Jugendlichen ist, damit, dass sie durch die Abschaffung der Wehrpflicht
dazu gezwungen sei. Konkret im Falle der Gamescom hieß es: „Wir treten hier personalwerblich auf. Mittlerweile ist es nun mal so, dass der Kontakt zu der jungen Bevölkerung durch das Aussetzten der Wehrpflicht erschwert worden ist.“
Panzer? Ja! Pappschwerter? Nein!
Somit wäre geklärt, dass die Bundeswehr ohnehin keine Skrupel hat, Jugendliche für den Kriegsdienst anzuwerben, was keine Überraschung ist. Das Ausmaß dieser Werbeaktion ist jedoch auch für die Bundeswehr auf einer neuen Stufe. So präsentierten sich die uniformierten Anwerber mit Panzern und technischem Kriegsgerät auf der Messe. Überraschend wird dies vor allem, wenn man es mit dem Hintergrund betrachtet, dass höchste Sicherheitsvorkehrungen getroffen worden waren. So durften die Gamer, die für ihre Outfits selbst gemachten Waffen, welche zum Teil aus Pappe waren, nicht mit in die Messe nehmen, mussten sich aber mit Anblick der Bundeswehrgeräte vom Typ Wiesel und Fennek zufrieden geben.
Im Vorfeld wurden die Gamer bereits gebeten, anlässlich der erhöhten Sicherheitslage, Verständnis
zu zeigen und Taschen sowie Rucksäcke nicht mitzunehmen. Darauf machten auch Spieler
aufmerksam, die selbst beanstandeten, dass die Bundeswehr mit schwerem Kriegsgerät in die Messe
darf, sie selbst aber alle als mutmaßliche Terroristen angesehen werden. Auch die Piratenpartei,
welche auf der Messe ihren Stand hatte, nahm dieses Thema auf und verteilte Postkarten im Logo
der Bundeswehr – Werbeaktion. Auf diesen Stand „Solange die Bundeswehr Infostände auf der
gamescom hat, sind Killerspiele unser kleinstes Problem“.
Damit zeigten sie auch gleichzeitig ihren Standpunkt zu der Diskussion um sogenannte „Killerspiele“, wie Ego – Shooter, welche seit dem rassistischen Anschlag von Ali David S. in München wieder losgetreten worden waren. Ein wichtiges Thema, denn auch hier wird das Paradox der öffentlichen und politischen Diskussion deutlich. Während auf der ganzen Welt Kriege und Terror zum Alltag werden, fixiert sich die Debatte auf Computersiele, was von der Bundesregierung natürlich auch mit befeuert wird.
Nicht nur die Gamescom, sondern die gesamte Gesellschaft
Der wiederholte Auftritt der Bundeswehr auf der Gamescom hat natürlich seine Besonderheiten.
Während hier Krieg und das Töten mit Spielen auf eine Ebene gebracht wird und Jugendliche, die in den Augen der Bundeswehr potenziell besser werbbar sind, in der Gamescom abgeblich zu finden wären, kann man sagen, dass dieser Auftritt eines von vielen ähnlichen Werbeaktionen der
Bundeswehr ist.
Die Militarisierung unserer Gesellschaft wird auf allen Ebenen immer weiter getrieben. Während die Bundeswehr selbst ganz Deutschland mit Werbeplakaten vollgepumpt hat, die zur Verherrlichung des Kriegsdienstes dienen sollen, soll nun auch ihr Einsatz im Landesinneren wieder ermöglicht werden.
Während des Münchner Anschlages standen auch Bundeswehreinheiten bereit, um eingreifen zu
können, wenn sie den Befehl dazu bekommen hätten. Während auf der einen Seite der Tod zu einem
Thema verkommt, das mit einem „Pray for …“ Post vergessen wird und überall angebliche
Terroristen umherrennen, etabliert sich auch gleichzeitig auf eine paradoxe Art und Weise ein
anderes Gefühl. Das Verständnis für die härter durchgreifende Staatsmacht und ihre Handlungen
scheint nun umso mehr gestiegen zu sein. So fordern auch viele Linke nun eine Verstärkung der
Polizei durch mehr Einheiten und die technische Aufrüstung der Überwachungsorgane.
Es ist also nicht verwunderlich, dass sich die Bundeswehr nun auch in der Gamescom erneut gezeigt hat. Aus ihrer Sicht ist dieser Schritt nicht nur legitim, er ist überlebenswichtig für die Bundeswehr als Organisation. Jedoch ist diese Entwicklung mehr als nur ein einfacher Rückschritt für die gesellschaftliche Entwicklung. Es bedeutet die Stärkung der Rechte und Möglichkeiten der Exekutive, weitere Einschränkungen unserer demokratischen Rechte, wie die der Versammlungsfreiheit und die zunehmende Überwachung aller Bürger, allen voran der fortschrittlichen und kritischen Kräfte.