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Die Rolle der Gewerkschaften im Kampf für den Frieden

Frank Deppe*

Aus der Geschichte der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung kennen wir zahlreiche Dokumente zum Protest und Kampf der Gewerkschaften – besonders derjenigen, die sich der sozialistischen Strömung der Arbeiterbewegung zurechneten – gegen drohende Kriegsgefahr sowie gegen das Grauen des realen Kriegsgeschehens. Sie riefen dazu auf, die Waffen niederzulegen und für friedliche Lösungen von Konflikten zu ringen.

Diese Einstellung entspricht ihrem Selbstverständnis: sie sind Interessenvertretungen der lohnabhängig Arbeitenden, die in den großen Kriegsschlachten als „Kanonenfutter“ an den Fronten verheizt werden. Zu Hause sind ihre Familien dem Bombenterror feindlicher Flieger ausgesetzt, die die großen Städte in Schutt und Asche legen. In den Armeen manifestiert sich das System der Klassenherrschaft in der Beziehung des Offizierskorps zu den gemeinen Soldaten; im Krieg wird die Demokratie abgeschafft. An der „Heimatfront‘“ herrschen Hunger und Not, während die Konzerne, die die Waffen produzieren, riesige Gewinne einfahren.

Das „Nein zum Krieg“ beruhte aber auch immer wieder auf der Erkenntnis, dass Kriege zwischen Nationalstaaten oder zwischen Bündnissen von Staaten – ausgetragen werden, die die ökonomischen und politischen Interessen der herrschenden Klassen bzw. des jeweils „herrschenden Machtblockes“ vertreten. Die „ideologischen Staatsapparate“, zu denen auch die „Staatskirchen“, die Leitmedien und die Universitäten als Ausbildungsstätten der Eliten gehören, wirken dabei immer wieder als Instrumente der Legitimation der Kriegspolitik und ihrer Ziele. Für die Volksmassen bedeutet Aufrüstung die Umverteilung von Staatsgeldern von der Sozial- und Infrastrukturpolitik zu den Rüstungsausgaben und zur Stärkung des „militärisch-industriellen Komplexes“. Der Militarismus begünstigt die „Untertanenmentalität“ in der Gesellschaft und fördert den Siegeszug von nationalistischem, auch rassistischem Ideologien in den Köpfen von Angehörigen der subalternen Klassen.

Von solchen Erkenntnissen war z.B. die Resolution inspiriert, die im Jahre 1907 vom Internationalen Sozialistenkongress (1907) in Stuttgart verschiedet wurde. An diesem Kongress nahmen auch Vertreter der – der Sozialdemokratie angehörenden – Generalkommission der deutschen Gewerkschaften teil. „Kriege zwischen kapitalistischen Staaten sind in der Regel Folgen ihres Konkurrenzkampfes auf dem Weltmarkt, denn jeder Staat ist bestrebt, sein Absatzgebiet nicht nur zu sichern, sondern auch neue zu erobern …“. Am Schluss heißt es: „Droht der Ausbruch eines Krieges, so sind die arbeitenden Klassen und deren parlamentarische Vertretungen in den beteiligten Ländern verpflichtet, unterstützt durch die zusammenfassende Tätigkeit des Internationalen Büros, alles aufzubieten, um durch die Anwendung der ihnen am wirksamsten erscheinenden Mittel den Ausbruch des Krieges zu verhindern, die sich je nach der Verschärfung des Klassenkampfes und der Verschärfung der allgemeinen politischen Situation naturgemäß ändern. Falls der Krieg dennoch ausbrechen sollte, ist es die Pflicht, für dessen rasche Beendigung einzutreten und mit allen Kräften dahin zu streben, die durch den Krieg herbeigeführte wirtschaftliche und politische Krise zur Aufrüttelung des Volkes auszunutzen und dadurch die Beseitigung der kapitalistischen Klassenherrschaft zu beschleunigen“.

Im 20. Jahrhundert – im „Zeitalter der Extreme“ und Katastrophen (Eric Hobsbawm) – hat sich die Arbeiterbewegung immer wieder über die Frage „Krieg und Frieden“ gespalten. Im Ersten Weltkrieg unterstützten weite Teile der Sozialdemokratie – vor allem der Gewerkschaftsführungen – die Kriegspolitik der kaiserlichen Regierung. Ab 1915 wurde allerdings die Opposition gegen Krieg und Monarchie immer stärker. Ab 1916 setze sich die USPD für Frieden und Demokratie ein. Ab 1917 kam es zu Massenstreiks, die in die Rätebewegungen zum Sturz der Monarchie am Ende des Krieges übergingen.

In den folgenden Kriegen wurden Gewerkschaften mit ganz unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert: mit dem Kampf gegen den Faschismus der Achsenmächte, den die Überlebenden oft nur in Konzentrationslagern, Zuchthäusern oder in der Emigration verfolgen konnten, im Kalten Krieg gegen den Kommunismus nach 1947, mit den vielen Kriegen in Asien und mit den antikolonialen Befreiungskriegen in der sog. „Dritten Welt“. Seit Hiroshima und der wechselseitigen Bedrohung der Blöcke durch Atomwaffen stehen allerdings die Forderung nach dem Verbot von Atomwaffen sowie die Warnung vor der Eskalation von begrenzten militärischen Konflikten im Mittelpunkt der Friedensbewegungen in der ganzen Welt. Die DGB Gewerkschaften in der Bundesrepublik bekannten sich zu der Losung „Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg“. Sie gerieten dabei in Widersprüche. Sie unterstützten mehrheitlich die Positionen „des Westens“ im Kalten Krieg. Damit unterstützten sie aber auch jene Kräfte der Restauration (in der CDU/CSU sowie in der FDP), die bis Anfang der 50er Jahre die vom DGB geforderte „Neuordnung von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik“ verhindert hatten.

Die linken Kräfte in den Gewerkschaften verstanden sich daher als Teil der Friedensbewegungen, die sich in den 50er Jahren im Kampf gegen die Re-Militarisierung sowie in mächtigen Demonstrationen unter der Losung „Kampf dem Atomtod“- (1958), schließlich ab Ende der 50er Jahre in der Ostermarsch-Bewegung manifestierten. Die Führungen von SPD und DGB hatten sich seit Ende der 50er Jahre von der Friedensbewegung abgewandt. Diese entfaltete allerdings bis zum Ende der 70er Jahre – als außerparlamentarische Bewegung (APO) – im Kampf gegen die Stationierung von Atomraketen und um die Forderung nach Abrüstung sowie nach Entspannungspolitik beachtliche Kräfte – innerhalb der Gewerkschaften, aber auch in den politischen Parteien der Linken. Die neu gegründete Partei Die Grünen begriff sich als eine Partei der Ökologie- und Friedensbewegung – Petra Kelly, Gert Bastian und Antje Vollmer z.B. sprachen bei den großen Demonstrationen gegen den NATO-Doppelbeschluss und bei den Blockadeaktionen vor US-amerikanischen Atomdepots in der Pfalz. In unserer Zeit der neuen Kriege und der Gefahren des nuklearen Hochrüstungswettlaufes bedarf es einer starken Friedensbewegung, die sich dem Rückfall des Denkens auf die imperiale Politik der Großmächte entgegenstellt und für Alternativen der Sicherheitspolitik plädiert. Um sich Gehör und politischen Einfluss zu verschaffen, braucht diese Bewegung wie in der Vergangenheit freilich die Unterstützung von relevanten Teilen der Gewerkschaften – auch aus den Betrieben selbst!

*Frank Deppe ist Politikwissenschaftler. Ein Schwerpunkt seiner akademischen Arbeit ist die Geschichte und Politik von Gewerkschaften. Dieser Artikel erschien erstmals in Nr. 54 der „zeitung gegen den krieg“.

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