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Ein weiter so kann gefährlich werden

Gewerkschaften nach der Bundestagswahl –

Helmut Born *

Das Ergebnis der Bundestagswahlen ist für die Gewerkschaften mehr als unerfreulich. Die Veränderungen im Bundestag lassen wenig Hoffnung auf eine soziale Politik aufkommen. Die Partei mit der die Führungen der Gewerkschaften die engsten Verbindungen haben, die SPD, ist mit dem schlechtesten Wahlergebnis in der Geschichte der Bundesrepublik aus der Regierung gewählt worden. Aber auch DIE LINKE, die oft inhaltlich am nächsten zu den Gewerkschaften steht, konnte ihr Wahlergebnis nur geringfügig, von 8,6 % auf 9,2 %, verbessern. Damit kommen beide Parteien nur noch auf knapp 30 %. DIE GRÜNEN hatten schon im Wahlkampf zu erkennen gegeben, dass sie eher mit der CDU und FDP, statt mit SPD und Linken, regieren wollen. Das darüber hinaus die FDP wieder zweistellig in den Bundestag einzieht, ist aus gewerkschaftlicher Sicht eine dicke Kröte. Das erschreckendste Ergebnis ist aber der Einzug der AfD mit 12,6 %, in den Bundestag. Die meisten Gewerkschaften hatten im Vorfeld der Wahlen deutlich gemacht, dass die AfD nicht wählbar ist. Trotzdem haben viele Gewerkschaftsmitglieder bei dieser nationalistischen, rassistischen und neoliberalen Partei ihre Kreuze gemacht.

Parteien und Gewerkschaften sollten Konsequenzen ziehen

Nicht nur für die Parteien sollte dieses Wahlergebnis Anlass sein, über ihre (Mit-)Verantwortung für das Erstarken der AfD nachzudenken. Auch für die Gewerkschaften gilt es, über die Politik der letzten Jahre nachzudenken und entsprechende Konsequenzen zu ziehen.

Trotz eines wirtschaftlichen Aufschwungs in der Bundesrepublik ist es nicht gelungen, prekäre Beschäftigung zurückzudrängen. Ganz im Gegenteil. Der Anteil von Leiharbeit, befristeter- oder Teilzeitbeschäftigung an der Gesamtzahl der Beschäftigungsverhältnisse befinden sich auf einem historischen Höchststand. Trotz Mindestlohn ist die Anzahl der Menschen, die Zuschüsse zu ihrem Einkommen bekommen, nur unwesentlich zurück gegangen. Viele können von ihrem Einkommen ihre Familien nicht ernähren. Nach wie vor sinkt der Anteil der Beschäftigten, die nach einem Tarifvertrag bezahlt werden. Im Einzelhandel z.B. gilt dies nur noch für ca. 40 % der Beschäftigten. Die Tarifflucht der Unternehmer ist einer der wesentlichen Gründe des sich immer weiter ausbreitenden Niedriglohnsektors.

Im wesentlichen haben die Gewerkschaften kaum Widerstand gegen prekäre Beschäftigung geleistet. Zwar gibt es vereinzelt Kampagnen gegen einzelne Arten prekärer Beschäftigung, wie z.B. von ver.di NRW gegen befristete Beschäftigung. Insgesamt aber sind die Gewerkschaften eher Mitgestalter prekärer Beschäftigung. So haben mehrere von diesen Tarifverträge für Leiharbeit abgeschlossen, die weit unter den (Mindest-)Löhnen der jeweiligen Branchen liegen. Die IG Metall hat die Höchsteinsatzzeit von Leiharbeit auf 48 Monate möglich gemacht, obwohl die gesetzliche Einsatzzeit auf 18 Monate beschränkt ist. Und von einer Kampagne gegen Tarifflucht ist auch weit und breit nichts zu sehen. Ganz im Gegenteil: Im Frühjahr diesen Jahres hat der Fachbereich Handel mit seinen Aktionen für die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen ziemlich alleine da gestanden.

Zur Regierung hat die Gewerkschaftsführung eher eine angenehme Beziehung geführt. Statt die Verweigerungshaltung der Regierung zu arbeitsmarktpolitischen und sozialen Fragen anzuprangern, hat man sich eher angebiedert.

Unternehmen wurden geschont

Dies gilt auch für das Verhalten gegenüber den Arbeitgeberverbänden. Im Rahmen der Standortpolitik wurden die Unternehmen weitgehend geschont. Stattdessen haben wesentliche Teile der DGB-Spitze mit dem Arbeitgeber-verband BDA dafür gesorgt, das durch das Tarifeinheitsgesetz der lästigen Konkurrenz der GDL Fesseln angelegt werden. Und auch durch die Tarifpolitik wurde dies untermauert. Lediglich ver.di, GEW und GDP haben durch ihre Tarifpolitik wesentliche Verbesserungen für Teile ihrer Mitglieder raus geholt. Die früher so kämpferische IG Metall nimmt heute mehr Rücksicht auf die Interessen der Industrie im Rahmen ihrer Standortpolitik. Von der IG BCE ganz zu schweigen.

Mit dieser Politik haben die DGB-Gewerkschaften dazu beigetragen, dass die Gegensätze zwischen Kapital und Arbeit zunehmend eingeebnet werden. Da ist es nicht verwunderlich, dass Teile ihrer Mitglieder ihre eigenen Interessen nicht mehr erkennen, sondern der Propaganda der AfD auf den Leim gehen, die behauptet, dass Flüchtlinge die Ursache der sozialen Misere in Deutschland seien. Anstatt also die Solidarität in den unteren Klassen zu gewinnen, haben wir die Situation, dass hier gegeneinander gekämpft wird. Gewinner bei diesem Spiel sind die Unternehmer, die keine Angst haben müssen, dass ihre Profitmaximirerei ernsthaft bekämpft wird.

* Mitglied im Landesbezirksvorstand ver.di NRW und ver.di Bezirksvorstand Düsseldorf und Gewerkschaftspolitischer Sprecher des Landesvorstand DIE LINKE.NRW

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