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Europa der Millionen

Pro oder contra EU? Diese Frage beschäftigt heute viele Bürger. Vor allem in der Linken wird auch eine Stimme laut, die eine EU, wie sie heute existiert, ablehnt. Auch die britische Linke debattiert derzeit über die Möglichkeit eines zweiten Brexit-Referendums und ob Großbritannien einen Antrag auf Wideraufnahme in die EU stellensollte. Eigentlich sollte sich die Linke doch freuen, dass diese EU zerbröckelt. Das zeigt auch, dass das europäische Kapital nicht an einem Strang zieht, sich nicht so schnell als Gegenpol zu den anderen imperialen Mächten aufbauen und einem großen Krieg entgegensteuern kann. Die EU-Kritik von links bedeutet keineswegs, dass Rechtspopulisten mit ihrer dahergezogenen Polemik Recht hätten, sondern dass diese EU nicht im Interesse der arbeitenden Bevölkerung und der Werktätigen ist. Mit welchem Teil der EU-Verträge muss man sich als Linker einverstanden erklären, um diese EU zu befürworten? Reicht die Reisefreiheit und die Bequemlichkeit, überall mit der gleichen Währung bezahlen zu können aus, um für die bürokratische und den Konzerninteressen unterstellte EU zu befürworten? Das Verschmelzen der europäischen Völker ist ja mit der EU keinesfalls gegeben. Auch wenn nationale Staaten an Einfluss verlieren, baut sich die EU als eine Festung auf. Kann man die Festung rund um die EU befürworten, nur aus Bequemlichkeit? Die EU-Verträge sind überwiegend restriktiv, was nationale Regierungen, ihre Haushalte und ihre Industriestrategien angeht. Eine echte Industriestrategie vor allem für die abhängigen Länder ist kaum möglich, vor allem wenn man die Riesen Frankreich und vor allem Deutschland sich gegenübersieht, deren Wirtschaftskapazitäten wie ein Mähdrescher alles niedermetzeln, was sich nicht schnell genug in Acht nehmen kann. Sonst folgt, wie oft schon in den vergangenen Jahren erlebt, die Austeritätspolitik. Wenn man sich fragt, ob die EU in einer progressiven Art und Weise reformiert werden kann, muss man sich in Erinnerung rufen, was mit Griechenland passiert ist. Die EU hat die Staatsschulden als Werkzeug benutzt, um Griechenland, bereits tief am Boden, weiter niederzuringen und dazu zu zwingen, Staatsbetriebe zu privatisieren, zu Schleuderpreisen zu verkaufen und Renten zu kürzen. Das ist die Standardagenda der EU. Möglich ist, dass ein ernsthafter, breit angelegter politischer Kampf zu einer reformierten EU nicht der Millionäre, sondern der Millionen Menschen wird. Aber noch sind wir weit entfernt davon.

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