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Ist es verboten zu opponieren?

Ahmet Yasaroglu

Ist es etwa die Aufgabe der Oppositionsparteien, Erdogan an der Macht zu halten? Wenn es nach Erdogan und ihm nahen Mainstreammedien geht, die widerspruchs- und kommentarlos seine Worte übernehmen, dann anscheinend ja. Allen voran der Chefredakteur der der Tageszeitung „Yeni Safak“, Karagül, ist dieser Meinung und schreibt auf die Oppositionsparteien und Politiker zielend: „Ich schaue mir all die großen Politiker und Parteien an. Von keiner Seite kommt auch nur ein Sätzchen darüber, unsere Republik zu stärken, größer zu machen und vor den globalen Gefahren zu schützen. Ihre einzige Sorge ist, Erdogan zu stürzen. Sie haben nur das Interesse, Erdogan und damit die Nation in den Abgrund zu stürzen.“

Nun, es ist schon immer so gewesen, dass zu Wahlen antretende Parteien ihre eigenen Wahlprogramme und Strategien selber bestimmen. Während die AKP und MHP sich zu einem „republikanischen Bündnis“ zusammengeschlossenen haben, stehen ihnen die CHP, IYI -, Saadet – und die DP mit einem „Bündnis der Nation“ entgegen.

Die HDP hingegen, die als Partei die wirklichen demokratische Werte vertritt, zieht alleine in den Wahlkampf. Seit 16 Jahren ist die AKP an der Macht und ist unter Erdogan entschlossen, das Land endgültig in die Ein-Mann Diktatur zu überführen. Auch wenn sich die oppositionellen Parteien über den Begriff der Demokratie nicht gänzlich einig sind, bildet die Ablehnung gegen diese Form der Diktatur unter Erdogan den gemeinsamen Nenner. Wenn die oppositionellen Kräfte nun nicht dafür kämpfen sollen, selber an die Macht zu kommen, wofür denn dann?

Erdogan und seine Anhänger lieben das Argument, dass durch äußere Kräfte ein internationales Komplott gegen die Türkei geschmiedet wird. Dabei beschuldigen sie die oppositionellen Parteien, diesen äußeren Kräften als Werkzeuge zu dienen. Sie behaupten, dass die Türkei genau wie der Irak und Syrien enden wird, wenn Erdogan in seiner Politik nicht unterstützt und gestärkt werden sollte. Dabei waren sie die ersten, die am lautesten applaudierten und es sogar nicht nur als längst fällig, sondern auch unzureichend empfanden, als Syrien von den Amerikanern wegen angeblicher Giftgaseinsätze bombardiert wurde. Die Zerstörung Syriens ist allen voran den Vereinigten Staaten und ihrer Zusammenarbeit mit der Türkei zuzuschreiben. Die Türkei hat aus Eigeninteresse gegen die Kurden sich mit verschiedenen imperialistischen Mächten gegen Syrien und die Regierung von Assad verschworen und die AKP hofft, dass das Volk die Rolle der Türkei bei diesem Komplott weder sehen noch verstehen würde.

Aktuell ist Erdogans Regierung eng mit England verbündet. Ganz nach der alten türkischen Redewendung „Wenn du schon erhängt wirst, dann mit einem englischen Knoten.“ versucht Erdogan seine Positionen zu stärken. Aber gerade England ist neben den aktuellen Handlungen auch mit den Knoten, die während und nach dem 1. Weltkrieg in der Region gemacht wurden, einer der Hauptverantwortlichen dafür, dass diese Region ein Krisenherd und ein immer noch brodelndes Fass ist. Angeblich ist die AKP zur Zeit gegen den Imperialismus, aber lädt nicht nur zeitgleich die englischen Monopole zu Investitionen in der Türkei ein, sondern schließt mit internationalen Konzernen wirtschaftliche Vereinbarungen. Panzerdeals mit Deutschland, Vereinbarungen über Kriegswaffen und unbemannte Flugkörper mit England und die laufende Produktion von F35 Kampfjets zwischen den USA und der Türkei. All das sind Indikatoren dafür, dass die Türkei wirtschaftlich immer abhängiger von „äußeren Kräften“ wird. Dies wird aktuell nicht nur an den steigenden Auslandsschulden und -zinsen deutlich, sondern auch an dem Rekordtief der türkischen Lira und dem Rekordhoch der Benzinpreise. Jede Erklärung, jede spitze Bemerkung verliert ihre Bedeutung, während diese militärischen, wirtschaftlichen und finanziellen Vereinbarungen noch laufen. Sie sind nichts anderes als heiße Luft.

Sicher ist, dass die Imperialisten und die „äußeren Kräfte“ in den 16 Jahren der AKP Herrschaft das Land nach Strich und Faden ausgenommen haben und sich jetzt laut Gedanken machen, mit welcher alternativen Regierung sie genau damit weiter machen könnten. Auch wenn die Beziehungen mit ihm in letzter Zeit etwas mehr leiden, als erwünscht, ist deren erste Wahl ein von Erdogan geführtes Land mit weniger Dornen und Stacheln, aber wir können uns ganz sicher sein, dass sie, wenn nötig, auch mit anderen Führern kooperieren werden. Gerade Trump, Merkel, Netanyahu und Macron wissen selber am besten, dass scharfe Aussagen nur leere Worte sind und strategische Interessen und Beziehungen das Eigentliche, was zählt.

Deswegen sind die anstehenden Wahlen im Hinblick auf all diese Faktoren eine wichtige und entscheidende Chance. Auch wenn die Opposition es nicht schafft, ein demokratisches Bündnis zu schließen, dass auf der Seite des Friedens und der arbeitenden Bevölkerung steht, können sie alles daran setzen, die Widersprüche der aktuellen Regierung ans Tageslicht zu bringen. Es ist von außerordentlicher Wichtigkeit, dass bei den Wahlen die HDP und damit Demirtas unterstützt werden, damit die demokratische politische Stimme der Kurden im Parlament vertreten wird. Wenn der gemeinsame Nenner, die Schlüsselforderung, das Verhindern der Ein-Mann-Eine-Partei-Diktatur lautet, ist es eine logische Schlussfolgerung, dass das einzige Interesse von demokratischen, fortschrittlichen und sozialistischen Kräften nur lauten kann, alles Erdenkliche zu tun, um diese Gefahr nicht weiter anzutreiben, sondern zu verhindern. Letztendlich sollte man dieses Fazit ziehen: Trotz der unterschiedlichen Ideen und dem breiten Spektrum der politischen Strömungen, ist die primäre Aufgabe der Opposition Erdogans Führung zu verhindern, komme was wolle. Alles andere und weitere sind Themen für spätere und folgende Kämpfe!

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