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Klimaschutz: Umsetzung mangelhaft

Sinem Yesil

Nahezu täglich wird über die Energiewende berichtet. Konzerne setzen zunehmend auf den Übergang von Fossil- und Kernenergie in erneuerbare Energien. E-Autos sind die Zukunftsinnovation für Unternehmen, weshalb die Autoindustrie immer mehr in die Forschung und Entwicklung elektrischer Autos investiert. Das US-Unternehmen Tesla kündigte einst die Planung einer Gigafactory in Grünheiden nähe Berlin an. Das wäre dann die vierte Gigafactory des Konzerns und die zweite außerhalb den USA. Inwiefern E-Autos klimafreundlicher als herkömmliche Kraftfahrzeuge sind, bleibt zunächst unklar und wird sich erst im Zuge der Herstellung erklären. Denn die Produktion der notwendigen Batteriezellen stellt sich als sehr umweltschädlich und energieaufwändig heraus. Logisch zu erschließen ist auch, dass die Autos mit elektrischem Antrieb funktionieren und regelmäßig eine Energiezufuhr benötigen. E-Autos wären somit erst klimaneutral, wenn zur Produktion und Beförderung ausschließlich erneuerbare Energien eingesetzt werden.

Die Bundesregierung hat bereits mit ihrem Klimapaket Ziele für die Energiewende gesetzt. Der geplante Umstieg der BRD auf 65 Prozent erneuerbare Energien bis 2030 droht jedoch auf der Kippe zu stehen. Die Produktion in der Windenergiebranche wird vehement durch die Politik gehemmt. Während Deutschland in der Vergangenheit Phasen hatte, in denen alle zweieinhalb Wochen ca. 90 neue Windräder zur Stromerzeugung eingesetzt wurden, hält sich diese Zahl aktuell in Grenzen. Bereits 2018 war die Zahl von neuen Windrädern im Stromnetz mit 743 neuen Anlagen im Vergleich zu 2017 um 55 Prozent zurückgegangen. Der Verlust wird im ersten Halbjahr 2019 mit einer mageren Zahl von 86 Windrädern noch deutlicher. Die Energieziele des Klimapakets bis 2030 könnten erst umgesetzt werden, wenn jährlich 2.500 mittelgroße Windräder oder 1.000 sehr große neu installiert werden.

Umverteilung und Teilenteignung der Energiekonzerne

Der praktisch vollständige Rückgang der Windenergiebranche sollte im Zusammenhang mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) betrachtet werden. Das Gesetz gestaltet seit 2000 die Umverteilung von Produktionsmitteln. Normalbürgern wird auf 20 Jahre ein fester Abnahmepreis für die Eigenproduktion von Strom gewährleistet. Das führt dazu, dass sie durch die Anteilhabe an Produktionsmitteln und der damit einhergehenden Preisgarantie kreditwürdig werden. Neben den Großkonzernen Eon, Thyssenkrupp usw. sind es Teile der Bevölkerung, die Teilhaber oder Besitzer von Windkraftwerken sind. Es bestehen Bürgerenergiegenossenschaften. In Bayern steht der Großteil der Solardächer und Windräder sogar im Besitz der Stadtwerke und in Niedersachsen beteiligen sich Landwirte an der Stromproduktion.

Bundesweit sollen schätzungsweise über eine Million deutsche Besitzer Stromproduktionskapazitäten besitzen. Zudem hat die größte Energiegenossenschaft Prokon 37.000 Mitglieder und insgesamt bestehen über 1.000 weitere Zusammenschlüsse dieser Art. Die teilweise Vergesellschaftung der Produktionsmittel durch das EEG im Bereich der erneuerbaren Energien schaffte eine neue Industrie, in der doppelt so viele Menschen tätig sind wie in der fossilen Energieindustrie. Sie öffnete die Aussichten auf eine soziale und klimaneutrale Produktion, die den Klimaschutz zu einer kollektiven Aufgabe macht.

Parlamentarischer Einfluss auf das EEG

Die Entwicklung der erneuerbaren Energien in Deutschland sorgte für eine Preissenkung der Sonnenkraftwerke um 13 Prozent pro Jahr. Aufgrund der darauf folgenden hohen Nachfrage wurde mehr produziert, wodurch eine erneute Senkung des Preises zustande kam. Daraufhin übertrugen sich diese Entwicklungen Deutschlands auf die internationale Ebene. Immer mehr Länder investieren mehr Geld in erneuerbare Energien. Damals war es die SPD, die unter Schröder sowohl für die arbeitende Masse, als auch für das Klima kontraproduktive Entscheidungen gefällt hat. So musste die Industrie nicht Teil der Umverteilung sein. Während der arbeitende Teil der Bevölkerung und private Haushalte mit 6,4 Cent pro Kilowattstunde für die Kosten der Industrie aufkommen müssen, zahlen Konzerne mit einem hohen Stromverbrauch wie z.B. die Deutsche Bahn oder Stahlwerke eine magere EEG-Umlage von 0,05 Cent pro Kilowattstunde zahlen und kommen ungeschoren davon.

Die Union, die ohnehin gegen das EEG und Umverteilung ist, zieht sich ihre Vorteile daraus und behauptet, dass Umstieg in erneuerbare Energien durch die Umlage sozial ungerecht wäre. Dass die Industrie mit Scheinumlagen davon kam, wurde von dabei nicht als sozial ungerecht betitelt. Im Gegenteil die schwarz-gelbe Koalition sorgte für weitere Ausnahmeregelungen zugunsten der Konzerne. Damit stieg die EEG Umlage enorm an, was dazu führte, dass selbst die Linke gegen die Umverteilung war. Zudem ist der ehemalige Umweltminister Peter Altmaier (CDU) mit seinem Strompreisbremser für das endgültige Aus der Solarenergie. Es fand eine enorme Senkung der Tarife für neue Solarkraftwerke statt. Das führte dazu, das Deutschland als einst weltweit größter Produzent von Solarzellen von anderen Ländern übertrumpft wurde.

Es resultierte, dass ein bundesweiter Abbau der Industrie stattfand. 80.000 von insgesamt 140.000 Arbeitern haben ihre Stelle verloren. Deutsche Unternehmen verlagerten ihre Fabriken in das Ausland, nachdem sie samt ihrer Patente von ausländischen Konzernen aufgekauft wurden. Fachleute berichten mittlerweile, dass Deutschland im Bereich Photovoltaik keine Chancen mehr habe, da die internationale Konkurrenz bereits zu groß sei. In Bezug auf die Windenergiebranche forderte Union daraufhin die Reform des EEG, um der Umverteilung ein Ende zu setzen.

Fehlende Maßnahmen für Energiewende

Große Energiekonzerne, wie RWE sind strikt gegen Umverteilung, da eine Energiewende im Sinne der Windkraft Konkurrenz bedeuten würde. Energiegenossenschaften und Kleinunternehmen sind außerdem nicht so konkurrenzfähig wie Konzerne, da sie vergleichsweise nicht genug Startkapital haben. Im Moment stellen sich auch Bewohner gegen Windparks. Als Antwort darauf beschließt die Politik Abstandsregeln, die eine Energiewende und die Windkraft praktisch unmöglich machen.

Die Tatsache, dass dadurch im Inland immer weniger Windkraftwerke bestellt werden, äußert sich in Form von Stellenabbau. Vestas strich Ende September dieses Jahres rund 500 Arbeitsplätze, somit ist knapp jeder zweite Arbeiter betroffen. Siemens Gamesa kündigte den Abbau von 600 Stellen an. April dieses Jahres ging Senvion Insolvenz, 1.500 Beschäftigte könnten ihre Arbeit verlieren. Auch Enercon kündigte in der letzten Zeit 1.200 Arbeiter. Insgesamt sind 35.000 Arbeitsplätze in der Windenergiebranche in Gefahr.

Pauschale Abstandsregelungen zwischen Windparks und bewohnten Gebieten führen auf der einen Seite zu Stellenabbau und auf der anderen Seite stellen sie ein großes Hindernis für die von der Bundesregierung angekündigte Energiewende bis 2030 dar.

Momentan beschließt die Bundesregierung Ziele, die sie in keiner Hinsicht versucht, einzuhalten. Es müssen Maßnahmen ergriffen werden, die eine klimaneutrale Politik sowie die Energiewende vorantreiben.

Der Aufschwung um erneuerbare Energien und klimapolitische Themen ist in erster Linie all den sozialen Bewegungen zu verdanken, die sich Woche für Woche für das Klima eingesetzt haben. In Zukunft werden die Interessen des breiten Teils der Bevölkerung auch nur mit der Verleihung des gesellschaftlichen Nachdrucks erkämpft werden.

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