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Korruption im EU-Parlament

Düzgün Altun

Nachdem die FIFA den Austragungsort der Fußballweltmeisterschaft 2022 an Katar „verkauft“ hat, ist das kleine monarchistische Land, mit etwas mehr als zweieinhalb Millionen Einwohnern, davon sind lediglich ca. 300 000 Katarer, der Rest Arbeitsmigranten, in aller Munde. Man gewinnt mittlerweile den Eindruck, dass Katar, neben Russland und China, für alles „Böse“, was gerade auf der Welt passiert, verantwortlich ist. Bemerkenswert ist, dass alle, von Wirtschaft bis Politik und Medien, die Zustände in Katar kritisieren, aber alle ihre Geschäfte mit diesem korrupten und diktatorischen Land weiterführen, gar ausbauen. Dieses Vorgehen ist nicht nur auf Katar zu begrenzen. Das hat System, ist weit verbreitet und kann nicht aus „Fehlverhalten von einzelnen Personen“ erklärt werden. So auch die jüngste Korruptionskrise im EU-Parlament.

Was ist passiert?

Nach Medienberichten ermittelt die belgische Justiz seit Monaten im Umfeld des Europaparlaments wegen Korruption, Geldwäsche und Bestechlichkeit. Nun fanden Festnahmen statt. Die griechische Sozialdemokratin Eva Kaili ist eine von sechs Verdächtigen, die von den belgischen Behörden seit dem 09.12.2022 in dem Korruptionsskandal festgenommen worden sind. Vier von ihnen kamen sofort in Untersuchungshaft. Der Verdacht, dass Katar versucht, mit Bestechung und großzügigen Sachgeschenken an Abgeordnete und Mitarbeiter im Europaparlament Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen, wird immer deutlicher. Dass aber sogar die Vizepräsidentin des Parlamentes (Kaili) in diesem Korruptionsnetz mit drinnen steckt, macht deutlich, wie weit Bestechlichkeit und Korruption verbreitet sind. Kaili wurde alle ihrer Ämter, Befugnisse und Pflichten entzogen. Sie wurde auch aus ihrer Partei, der sozialdemokratischen Pasok, rausgeschmissen. Nach über 20 Durchsuchungen in Wohnungen und Büros, hat die Polizei insgesamt 1,5 Millionen Euro sichergestellt. Der frühere italienische Europaabgeordneter Panzeri wird als der eigentliche Drahtzieher genannt. Die Bekanntgabe, dass auch der Generalsekretär des Internationalen Gewerkschaftsbundes, Luca Visentini, mindestens 50.000 Euro erhalten haben soll, um Katar (obwohl allein bei den Vorbereitungen zur WM tausende Arbeiter auf den Baustellen gestorben sind, Tausende wie Sklaven behandelt werden usw.) für seine „Bemühungen“ für eine Arbeitsmarktreform zu loben, wirft ein Licht darauf, wie verzwickt und verflochten der Korruptionsfilz schon ist.

„Große Empörung“

Die EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola sieht in der mutmaßlichen Bestechung einen Angriff auf die europäische Demokratie. Es ist schon bemerkenswert. Die Entrüstung richtet sich mehr gegen Katar als gegen das, was im eigenen Haus, im EU-Parlament, passiert. Alle tun so, als ob das, das erste Mal wäre und nur Einzelfälle seien. Es gibt zahlreiche Beispiele, dass dem so nicht ist und Korruption und Bestechung zur Natur dieser Politik gehören. Allein der Umstand, dass in Brüssel 25.000 registrierte Lobbyisten sitzen und über einen Etat von 1,5 Milliarden Euro verfügen, macht das Ausmaß und „Normalität“ dieser Machenschaften deutlich. Auch in Berlin sitzen 6000 Lobbyisten. Der nicht mal zwei Jahre zurückliegende Korruptionsverdacht gegen die zypriotische Gesundheitskommissarin S.Kyriakides ist noch nicht vergessen. Die vier Millionen, die sie auf das Konto bekam, waren doch wegen der Gefälligkeit an Pfizer-Konzern über Covid-19 Impfstoffe. Kyriakides wurde bis heute nicht dafür belangt. Wegen dem Pfizer- Fall wird auch gegen die Kommissionspräsidentin Von der Leyen ermittelt. Von der Leyen will dem EU-Rechnungshof, die nötigen Unterlagen, die zu diesem milliardenschweren Vertrag mit Pfizer geführt hat, nicht liefern. Auch gegen Von der Leyen ist bis jetzt nichts passiert. Ausgerechnet diese Kommissionspräsidentin schlägt angesichts “Katargates” die Bildung eines Ethikrates für EU-Institutionen vor. Korruptionsskandale bleiben für viele Menschen abstrakt und im Verborgenen. Die Maskenaffäre, in der bekannt wurde, wie korrupte Politiker die Krise ausnutzten, sich und ihren engen Kreis zu bereichern. Korruption ist nicht bloß auf persönliche Bereicherung einzuengen. Die FinCen-Files (eine internationale Recherche zur Geldwäsche), veröffentlichte 2020 ein Bericht, welches das Ausmaß der schmutzigen Machenschaften im internationalen Finanzwesen darlegte. Sie berichtete über Geschäfte im Wert von zwei Billionen Dollar mit Verbindungen zu organisierter Kriminalität. Es ist auch nicht lange her als, 2016 ein Recherchenetzwerk von internationalen Zeitungen die Panama Papers, das die Existenz eines weltweiten Systems von Briefkastenfirmen bekannt machte, die für Steuerhinterziehung und Geldwäsche von Kapitalbesitzern und Politiker dienten. Aus den Berichten war zu lesen, dass in diese schmutzigen Geschäfte auch 28 Banken aus Deutschland verwickelt sind. Angesichts dieser Ausmaße ist es nicht mögliche diese Dinge an der herrschenden Politik vorbeizuorganisieren. Direkt o der indirekt, mit wohlwollendem ​Wegsehen oder auch aktive Unterstützung ist, so oder so die politische Elite mit im Spiel. Das verdeutlichen auch die Fälle Cum-Ex und Wirecard. Korruption ist kein unglückliches Malheur, sondern systemimmanent.

„Politik ist konzentrierte Ökonomie”

Das ist eine Formulierung von Lenin, die in einem Satz deutlich macht, dass die herrschende politische Klasse nicht von der herrschenden Kapitalisten-Klasse unabhängig agiert. Am Ende des Tages geht es darum, ihr Eigentum an den Produktionsmitteln zu sichern, die Aneignung des von Arbeiter*innen geschaffenen Mehrwerts weiterzuführen, mit allem Mittel. Korruption, Bestechung und Geldwäsche gehören zu diesen Mitteln dazu.

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