m Schatten der Bundestagswahlen fand eine mindestens genauso wichtige Entscheidung statt, die in Medien bisher wenig Beachtung fand: Eine Mehrheit von 56,4 Prozent – insgesamt mehr als eine Million Menschen – hat in Berlin für die Enteignung großer Wohnungskonzerne gestimmt. Selbst in vielen Außenbezirken, in denen die Bürgerinitiative „Deutsche Wohnen enteignen!“ eher schwach organisiert ist, erreichte die Enteignungsforderung teils deutliche Mehrheiten. Über 1 Million Stimmen dafür haben gezeigt, dass das Thema Vergesellschaftung von Wohnungen parteiübergreifend den Menschen unter den Nägeln brennt. Summiert sind das nicht nur „linke“ Stimmen, die das Kreuzchen dafür machten, sondern aus allen Spektren, Schichten und politischen Richtungen.
Das ist ein bemerkenswertes Ergebnis, vor Allem wenn man bedenkt, dass bis auf Die Linke fast alle Parteien gegen das Volksbegehren Mobil gemacht hatten. Verteilt wurden von der CDU Flyer, die bewusst den amtlichen Benachrichtigungen zum Volksentscheid ähnlich aufgemacht waren, aber viele Fehler und Lügen enthielten. Die FDP erzählte bei jeder Gelegenheit, dass auch Wohnungsbestände von kleineren Wohnungsgenossenschaften enteignet würden, um Haus-und Wohnungsbesitzer auf ihre Seite zu ziehen. Sogar Kevin Kühnert, Symbolfigur der SPD-Linken, der zu anderen Zeiten „BMW kollektivieren“ wollte, sprach sich gegen die Enteignung aus. Man sieht, dass nicht die Worte ausschlaggebend sind, sondern die Taten!
Giffey, Berlins zukünftige regierende Bürgermeisterin, erklärte, die Vergesellschaftung würde den Steuerzahler 30 Milliarden Euro kosten, was gar nicht stimmt. Die Ablösesumme hängt stark davon ab, wie die Verhandlungen mit Deutsche Wohnen ablaufen und wie die Kräfteverhältnisse sein werden. Die Aktivisten von „Deutsche Wohnen und Co. Enteignen“ hat bereits einen Vorschlag unterbreitet, der es der Stadt ermöglichen würde, Entschädigungen zu finanzieren, ohne neue Schulden aufzunehmen.
Die Enteignungsinitiative hat etwas geschafft, was der politischen Linken lange nicht mehr gelungen ist: Sie hat die Wut angesichts extrem hoher Mieten politisiert und deutlich die Klassenfrage gestellt und somit den bestehenden Interessenkonflikt unübersehbar gemacht. Tausende Menschen beteiligten sich im Frühjahr an der Unterschriftensammlung für das Volksbegehren und trugen 360.000 Ja-Stimmen zusammen. Haustürgespräche ohne Unterschiede zwischen Geschlechtern, Ethnien, Religionen oder Bildungsabschlüssen zu machen, zeigt, wie man wieder linke Bewegung und Inhalte in die Politik bringen kann. Die Erfahrungen, die dabei gemacht wurden, müssen in alle Kämpfe der kommenden Jahre einfließen. Unabhängig davon, wie Giffey und ihre Landesregierung versuchen werden, die Inhalte und Säulen der Kampagne zugunsten von „Deutsche Wohnen“ zu verwässern und dem Immobilienmonopol so viel Ablösesumme wie möglich zuzugestehen, ist der Kampf noch nicht gewonnen und muss mit dem gleichen Elan weitergeführt werden!