Tonguç Güler
Aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Anfrage der BSW-Abgeordneten Żaklin Nastić geht hervor, dass von den insgesamt im Jahr 2024 rekrutierten 20.284 Soldat:innen 2.203 minderjährig waren. Das stellt nicht nur einen Anteil von 10,9 Prozent dar, sondern ist auch gleichzeitig ein Rekordhoch seit der Erfassung der Daten seit 2011. Von den bereits genannten 2.203 minderjährigen Rekrut:innen haben sich 895 auf Zeit verpflichtet. Im Jahr 2017 waren in absoluten Zahlen 2.128 Minderjährige in der Bundeswehr.
Deutschland ist Unterzeichner der UN-Kinderrechtskonvention (KRK), dessen Grundprinzipien „das Recht auf vorrangige Berücksichtigung des Kindeswohls“ (Artikel 3) und „das Recht auf Leben und Entwicklung des Kindes“ (Artikel 6) sind. Ein die Konvention ergänzendes Fakultativprotokoll regelt zudem die Mindestaltersgrenze von Kindern in den Streitkräften. Aufgrund des Drucks westlicher Staaten, insbesondere Deutschlands, wurde der Artikel 2 des Protokolls abgeschwächt. Wenn eine Freiwilligkeit in der Entscheidung des betreffenden Kindes vorliegt, darf dieses für Streitkräfte rekrutiert werden.
Völlig zurecht, bezeichnet die Initiative „Unter 18 Nie!“ in ihrem Appell an Verteidigungsminister Pistorius vom Mai letzten Jahres, die minderjährigen Soldat:innen in der Bundeswehr als „Kindersoldat:innen“. Auch im Zusatzprotokoll der KRK ist per Definition jeder Mensch unter 18 Jahre ein Kind. Selbst Schweden hat im Jahr 2023 im UN-Menschenrechtsrat Deutschland aufgefordert, das Rekrutierungsalter auf 18 Jahre anzuheben. Laut „Unter 18 Nie!“ liegt bereits in 150 Ländern das Rekrutierungsalter bei 18 Jahren. Deutschland zählt mit Ländern, wie Großbritannien und Frankreich, zu jenen, die sich einer solchen kinderrechtlichen Verantwortung entziehen.
Neben sexualisierter Gewalt gegen minderjährige Soldat:innen — es wurden im Zeitraum 2018-2020 ganze 17 Fälle registriert — und erhöhter Suizidraten (wie sie u.a. im britischen Militär existieren), weist der Anstieg minderjähriger Rekrut:innen auf Erfolge der Bundeswehr-Propaganda der letzten Jahre hin. Internetpräsenz, Reklametafeln in öffentlichen Räumen, Besuche von Jugendoffizieren in Schulen, Werbung in Briefkästen, auf Pizzakartons und Dönertüten, Sichtbarkeit von Soldat:innen in Uniform in Wagons der Deutschen Bahn: die Werbekampagne der Bundeswehr ist allgegenwärtig und so aggressiv, wie noch nie zuvor. Die zunehmende Militarisierung nach innen einerseits und die wirtschaftliche Perspektivlosigkeit andererseits treiben immer mehr Menschen in die Arme eines scheinbar „sicheren Arbeitgebers“. Am Ende ist jedoch nur eines sicher: die erhöhte Wahrscheinlichkeit nicht im eigenen Interesse, sondern im Interesse der Kriegstreiber zu sterben.