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Sowohl Flüchtlinge, als auch Inselbewohner nicht alleine lassen

Dilan Baran

In der Nacht vom 8. auf den 9. September 2020 brach im Flüchtlingslager in Moria auf der griechischen Insel Lesbos ein Brand aus. Für eine kurze Zeit wurde breiter über die elende Situation von Geflüchteten an den Außengrenzen der EU diskutiert, doch  geändert hat sich nichts. Die Regierenden machen weiter mit ihrer menschenverachtenden Abschottungspolitik. Eine Verbesserung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil.

Jessi, eine Studentin der internationalen sozialen Arbeit reiste in ihrem Praxissemester mit der Organisation Fenix Humanitarian Legal Aid aus Deutschland nach Moria. Die Organisation, bei der ich gearbeitet habe, bietet zum einen rechtliche Hilfe für Geflüchtete an, verfolgt aber einen ganzheitlichen Ansatz, d.h. bei Bedarf kann auch psychologisch oder von sozialarbeiterischer Seite unterstützt werden. Das war eine meiner Aufgaben. Die ausschließlich ehrenamtlichen Mitarbeiter müssen sich für eine Zeit verpflichten, bei der Organisation zu arbeiten und geeignete Vorerfahrungen und Qualifikationen haben.“ Auf die Frage, was sie erwartet hatte und ob diese erfüllt wurden, erklärt sie sicher: „Wegen der Bilder, die ich vorab in den Medien gesehen hatte, war mir natürlich bewusst, dass es auf Lesbos für geflüchtete Menschen viele Probleme gibt und die Lebensbedingungen im Camp sehr schlecht sind. Ich wusste jedoch nicht, wie hart mich der Anblick und die Erfahrung treffen würden.“ Die Menschen seien verzweifelt und traumatisiert, nicht nur aufgrund dessen, was sie oftmals in ihren Herkunftsländern oder auf der Flucht mitmachen mussten, sondern weil sie sich unter den gegebenen Umständen immer noch in einer permanenten Krise- und Ausnahmesituation befinden. „Das Camp auf Lesbos, sowohl das alte Moria, als auch das neue Camp, war und ist keine Lösung und verstößt gegen sämtliche Menschenrechte.“ fasst sie ihre Erfahrungen zusammen.

Jessis Zahid arbeitet als Übersetzer und kommt selbst ursprünglich aus Afghanistan.Die Probleme fasst er so zusammen: Die Lebensbedingungen in dem neuen Lager sind unmenschlich und herzzerreißend. Einige der Probleme der Flüchtlinge sind Mangel an Elektrizität oder manchmal überhaupt kein Strom, Mangel an gesundem Essen, Mangel an angemessener medizinischer (physiologischer, psychologischer und psychiatrischer) Versorgung, keine Bildungsmöglichkeiten besonders für die Kinder, mangelnde Sicherheit, Mangel an Platz, Mangel an ganzheitlichen Rechts- und Schutzdiensten, Mangel an rechtzeitigen und genauen Informationen, Vorfälle von Vergewaltigung oder sexueller Nötigung im Lager, Gewalt, Kriminalität und Drogen, unmenschliche und entwürdigende Behandlung seitens Behörden und Polizei, manchmal auch unqualifizierte Helfer und Sozialarbeiter.“

Meine nächste Frage lautet: Als Helferinnen einer NGO musstet ihr euch als solche manchmal unkenntlich machen um nicht von den ansässigen Griechen angegriffen zu werden. Alles Rassisten oder wie?“

Jessi zeigt Verständnis: „Nicht nur geflüchtete Menschen auf Lesbos sind müde, frustriert, haben Angst und fühlen sich ohnmächtig, sondern auch die Inselbewohner. Zu Beginn der „Krise“ 2015 haben sich fast alle Menschen solidarisch gezeigt, den Menschen geholfen, die neu ankamen in den Booten, ihnen warmes Trinken angeboten und auf verschiedensten Wegen versucht, zu unterstützen. Doch einige Jahre später ist Moria massiv überbelegt.“ Recht hat sie: 20000 Flüchtlinge und das bei einer Gesamtbevölkerung von nur rund 86 000 Menschen. Die Einwohner von Lesbos forderten eine Lösung von der griechischen Regierung und Hilfe durch die europäische Gemeinschaft. Doch nichts geschah. „Auf die Kritik und Angst der Einwohner wurde von Seiten vieler NGO Mitarbeiter meiner Meinung nach nicht mit der Suche nach einem Dialog reagiert, sondern vielmehr mit einer Abwertung und pauschalisierenden Verurteilungen wie „diese Faschisten“. Natürlich gibt es diese auf Lesbos und es kam in den letzten Jahren zu beunruhigenden Ereignissen und Entwicklungen, die zur Folge haben, das rechtsradikale Bewegungen erstarkt sind und es auch zu zahlreichen  Angriffen von geflüchteten Menschen, Migranten/Innen, und NGO Mitarbeiter/Innen kam.“

Gibt es auf Lesbos Rassisten? – Die Antwort eindeutig: Ja!. Aber vor allem gibt es viele Menschen, die Angst haben und mit der schwierigen Situation allein gelassen sind. Auch der fortwährende Konflikts zwischen der Türkei und Griechenland spielt eine Rolle, da die Menschen in Griechenland in den Geflüchteten eine Art Druckmittel und Waffe sehen, die Erdogan gegen sie gebrauchen kann. Es gibt Lösungen, aber dafür müssten die Menschenrechte geachtet werden und das Geld, das gerade in Abschottungsstrukturen und -politiken geht in humanitäre Lösungen fließen. „Das Leiden dieser Menschen geht uns alle etwas an.“

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