Die Tarifverhandlungen in der Eisen- und Stahlindustrie, deren Forderungen seit einer Weile auf der öffentlichen Tagesordnung stehen, haben am 13. November begonnen. Die Tarifparteien IG Metall und der Arbeitgeberverband Stahl (AGV Stahl) trafen sich im Sheraton Hotel in Düsseldorf. In der Eisen- und Stahlindustrie in Deutschland gibt es drei getrennte Tarifvertragsregionen. Die größte davon mit 60.000 Beschäftigten liegt in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Bremen und Hessen. Das Saarland mit rund 14.000 Beschäftigten hat ein eigenes zweites Tarifgebiet. Ostdeutschland ist das dritte Tarifgebiet mit 6.000 Arbeitern. Die in das größte Tarifgebiet abgeschlossenen Verträge werden in der Regel von der saarländischen Eisen- und Stahlindustrie eins zu eins übernommen. In der ostdeutschen Eisen- und Stahlindustrie halten sich die Arbeitgeber nicht wortgetreu an diese Vereinbarungen, sondern versuchen, sie durch Sonderklauseln zu durchlöchern.
Die Forderungen, die bereits vor Monaten in Gesprächen unter IG Metall-Mitgliedern erarbeitet worden waren, wurden den Arbeitgebern formell vorgestellt. Die AGV Stahl-Chefs lehnten die Forderungen mit der Begründung ab, sie würden „die Stahlindustrie in den Ruin treiben“. Die IG Metall fordert diesmal nicht nur mehr Lohn, sondern auch eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 32 Stunden (siehe Kasten).
Während die IG Metall ihre Forderungen begründete, bezeichnete der AGV Stahl, ohne einen Gegenvorschlag zu machen, die Forderungen der Gewerkschaft als unrealistisch.
EXISTENZ GEFÄHRDET
Die Forderung der Gewerkschaft nach einer Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 32 Stunden bei vollem Lohn lehnen die Eisen- und Stahlbosse ab.
„Die Verkürzung der Wochenarbeitszeit von 35 auf 32 Stunden bei vollem Lohn bedeutet eine Lohnerhöhung von 8,6 Prozent. Zusammen mit der Forderung nach einer 8,5-prozentigen Lohnerhöhung ergibt sich ein Betrag von 17,1 Prozent. Das daraus resultierende Gesamtforderungsvolumen von 17,1 Prozent übersteigt die Kapazität der deutschen Stahlindustrie und gefährdet deren Existenz“, argumentierten die AGV-Sprecher und fügten hinzu, dass eine Arbeitszeitverkürzung gerade in Zeiten des Fachkräftemangels absolut unmöglich sei.
„FORDERUNGEN KÖNNEN ERFÜLLT WERDEN“
Knut Giesler, der die Verhandlungen für die IG Metall führte, sagte in einer Erklärung nach dem Treffen: „Die von uns aufgestellten Forderungen sind ohne weiteres erfüllbar.“ Giesler erinnerte daran, dass die Stahlmonopole im Jahr 2022 ihre Umsätze und Gewinne auf Rekordniveau gesteigert haben: „Die Lohnkostenquote in der Stahlindustrie ist mit durchschnittlich 9 Prozent niedrig. In manchen Betrieben noch weniger. Eine Lohnerhöhung von 8,5 Prozent erhöht die Gesamtkosten nur um 0,8 Prozent. Das ist ein Niveau, das eingehalten werden kann.“
Giesler sagte, dass die Frage der Verkürzung der Wochenarbeitszeit keine sehr spezielle Forderung und auch nicht so undurchführbar sei, wie behauptet wird: „Die Wochenarbeitszeit ist in vielen Unternehmen bereits Praxis. Bei ArcelorMittal arbeiten etwa tausend Beschäftigte weniger als 35 Stunden und verzichten dafür auf ihren Lohn. Bei Thyssen-Krupp, wo 37 Prozent der Stahlarbeiter beschäftigt sind, arbeiten sie ebenfalls weniger als 35 Stunden. In vielen Stahlwerken nehmen die Arbeiter mehr Urlaubstage, anstatt Urlaubsgeld zu erhalten. Der einzige Unterschied in unserer heutigen Forderung ist, dass wir nicht mehr wegen der Arbeitszeit auf Lohn verzichten, sondern bei vollem Lohnausgleich.“
WARNSTREIKS IM DEZEMBER
In der ersten Verhandlung, die drei Stunden dauerte, boten die Eisen- und Stahlbosse ein ungewöhnliches Angebot. Die Stahlbosse boten eine Lohnerhöhung von 3,1 Prozent für 15 Monate an. Es wurde erklärt, dass sie nicht über eine Verkürzung der Arbeitszeit verhandeln wollen. Die erste Verhandlung endete ohne Ergebnis.
Knut Giesler, der im Namen der IG Metall für Westdeutschland und Dirk Schulze, der für Ostdeutschland verhandelte, hielten das Angebot der Bosse für unzureichend und lehnten es ab.
Während die beiden Verhandlungsführer betonten, dass die Inflation, die in den letzten anderthalb Jahren ihren Höhepunkt erreicht hat, ein großes Loch in die Taschen der Arbeitnehmer gerissen hat, haben wir als „IG Metall“ während Corona und der Zeit des Ukrainischen Krieges eine verantwortungsvolle Tarifpolitik umgesetzt. Sie sagten, es sind nun die Eisen- und Stahlbosse dran, verantwortungsvoll zu handeln“.
Die Tarifvertragsparteien werden sich am 23. November erneut treffen und die Verhandlungen fortsetzen. Mit dem Hinweis, dass der aktuelle Vertrag am 30. November ausläuft, sagte die IG Metall: „Ab dem 1. Dezember bis zum 11. Dezember stehen Warnstreiks auf unserer Tagesordnung.“
—————————–
FORDERUNGEN:
– 8,5 Prozent mehr Lohn für 12 Monate. Zusätzlicher Sozialausgleich für die unteren Lohngruppen,
– Auszubildende erhalten für jedes Lehrjahr 200 Euro oder 5 zusätzliche freie Tage,
– Verkürzung der Arbeitszeit von 35 auf 32 Stunden bei vollem Lohnausgleich,
– Verlängerung des Altersteilzeitvertrags (ATZ) und des Beschäftigungssicherungstarifvertrags (BST).
Nach Angaben der IG Metall wurde im Anschluss an die laufenden Diskussionen in den Stahlwerken eine Befragung durchgeführt, woran rund 11.000 Beschäftigte teilnahmen. Am 6. und 7. September trafen sich die west- und ostdeutschen Tarifkommissionen der Eisen- und Stahlindustrie, um diese Ergebnisse zu beraten und Forderungen zu formulieren. Nach langen und erbitterten Diskussionen einigte man sich auf die oben genannten Forderungen. Vor allem die Lohnforderung wurde auf Druck der IG Metall-Zentrale niedrig gehalten. Später, am 18. September, billigte der IG Metall-Vorstand die von den Kommissionen beschlossenen Forderungen.