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Walter Krämer, Siegener Antifaschist, Widerstandskämpfer, Kommunist und ,,Arzt von Buchenwald“

Mechthild Boller-Winkel

 

Walter Krämer wurde am 21. Juni 1892 in einer konservativ-nationalistischen Familie in Siegen geboren. Er besuchte dort von 1898 bis 1906 die Volksschule und erlernte danach in einer 4-jährigen Ausbildung das Schlosserhandwerk bei der Siegener Maschinen-Aktien-Gesellschaft Oechelhäuser.

Nach erfolgreichem Lehrabschluss meldete er sich freiwillig 1911 als Soldat bei der Marine. Auf dem Linienschiff ,,Posen“, wo er im 1. Weltkrieg als Heizer stationiert war, bemerkte er schnell, wie ungleich einzelne Matrosen gegenüber den Offizieren behandelt wurden, was ihm die Unterschiede der Klassen im Deutschen Reich verdeutlichte. Deshalb verließ er 1917 das Schiff und lebte illegal in Wilhelmshaven. Dort wurde er wegen unterschiedlicher politischer Delikte inhaftiert.

 

1918 während des Matrosenaufstands und der Novemberrevolution kehrte Walter Krämer nach Siegen zurück und schloss sich dort 1919 der USPD an.

 

1920 kämpfte er in der Folge des Kapp-Putsches an der Seite der Roten Ruhrarmee.

 

Er lernte seine Frau und Genossin Elisabeth (Liesel) kennen, trat aus der USPD aus und wurde 1921 gemeinsam mit ihr KPD Mitglied.

 

1923 wurde Walter Krämer erneut verhaftet. In Siegen hatte er zu dieser Zeit eine Ortsgruppe der KPD aufgebaut und die Leitung gemeinsam mit Peter Brinkschulte übernommen. Zusammen mit 14 Siegerländer Kommunisten wurde er zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt, 1927 wurde er jedoch 8 Monate früher entlassen.

 

Walter Krämer wurde in den nachfolgenden Jahren als KPD–Sekretär in Krefeld, Wuppertal, Kassel und Hannover eingesetzt.1932 war er 1. Bezirkssekretär der KPD in Hannover und wurde als einer von 57 Abgeordneten der KPD in den Preußischen Landtag gewählt. Die KPD hatte hier 13,5 Prozent der Stimmen.

 

1933 wurde er aufgrund seiner politischen Tätigkeiten in der KPD wegen Hochverrats am Staat vor Gericht gestellt und galt öffentlich als Staatsfeind. In einem Brief an seine Frau schrieb er: „Es gibt nur einen Weg für mich: meiner inneren Überzeugung gemäß zu handeln, dafür einzustehen und alle Konsequenzen auf mich zu nehmen“. Er wurde zu drei Jahren Haft verurteilt.

 

Als ihn seine Frau 1936 abholen wollte, war er bereits in die Hände der Gestapo übergeben und nach einem kurzen Gespräch mit Liesel Krämer in das KZ Lichtenburg verlegt worden.

 

1937 gehörte Walter Krämer zu den 1274 ehemaligen Häftlingen des KZ Lichtenburg, die mit dem Bau des KZ Buchenwald auf dem Ettersberg bei Weimar begannen und nach Fertigstellung dort inhaftiert wurden.

 

Er kam in den Häftlingskrankenbau und eignete sich durch Unterstützung jüdischer Ärzte Kenntnisse der Medizin an. Die Fähigkeit sich umfangreiches medizinisches Wissen anzueignen, zusammen mit seinem außergewöhnlichen Talent bei der praktischen Anwendung und seine humanistische Grundeinstellung als Kommunist, machten Walter Krämer zum legendären „Arzt von Buchenwald“. 1938 übernahm er die Verantwortung für die chirurgische Ambulanz im KZ.

 

Der Häftlingskrankenbau wurde mehr und mehr zur Institution der Rettung vieler Kranker und ebenso zum Ort des Widerstands. Durch seinen wachsenden Einfluss stellte Walter Krämer eine Gefahr für die SS Offiziere dar. Diese hatten sich in Korruption verstrickt und jüdisches Eigentum unterschlagen.

 

Das Wissen darüber und seine Weigerung über sowjetische Kriegsgefangene das Todesurteil „Tbc-krank“ zu verhängen, wurden ihm und seinem Stellvertreter Karl Peix zum Verhängnis. Am 06.11.1941 wurden beide von der SS im Außenlager Goslar ermordet. Die Todesursache wurde mit ,,Auf der Flucht erschossen“ verschleiert. Seine Asche wurde zu seiner Frau Liesel nach Siegen geschickt und dort auf dem Hermelsbacher Friedhof beigesetzt.

 

Beim Gedenken an Walter Krämer steht oft der Humanist und „Arzt von Buchenwald“ im Zentrum. Die Tatsache, dass er wegen seiner politischen Einstellung und der Mitgliedschaft in der KPD deportiert wurde, also weil er Kommunist war, spielt dabei dann keine Rolle. Ihm war jedoch klar, dass alle Menschen gleich sind, dass Grenzen nicht zwischen Völkern, Rassen, Religionen oder Nationen bestehen, sondern zwischen Klassen. Antifaschismus, Internationalität und Klassenbewusstsein haben sein Handeln bestimmt.

 

Die Erinnerungskultur an Walter Krämer war in der DDR sehr ausgeprägt. Medizinische Fachschulen und Krankenhäuser wurden nach ihm benannt und Bruno Apitz schrieb einen später auch verfilmten Roman über Walter Krämer veröffentlicht mit dem Titel ,,Nackt unter Wölfen“.

 

Die Gedenkstätte für von den Nationalsozialisten ermordeten Jüdinnen und Juden Yad Vashem in Israel zeichnete ihn 1999 als ersten Nicht-Juden mit der Ehrung eines „Gerechten unter den Völkern“ aus.

 

Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) in Siegen setzte sich für „eine Mahn- und Gedenkstätte für Walter Krämer“ ein, erhielt jedoch keine Antwort vom Siegener Stadtrat. 1986 veröffentlichte die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Siegerland e.V. (GCJZ) ein Werk über Walter Krämer. Dies brachte in Verbindung mit der Öffentlichkeitsarbeit von DKP und VVN/BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten) den Erfolg. Am 27.11.1999 wurde eine Gedenktafel an seinem Geburtshaus in der Charlottenstraße angebracht. Am 10.12.2014 wurde der Platz neben dem Haupteingang des Kreisklinikums Siegen nach ihm benannt.

 

Auf Initiative der VVN-BdA und in Zusammenarbeit mit der Deutsch-israelischen Gesellschaft und dem Projekt Erinnerungskultur wurde am 04.12.2012 in der Heiligerstraße in Hannover ein Stolperstein für Walter Krämer verlegt.

 

Der Verein Spurensuche Harzregion, VVN-BdA und die Stadt Goslar stellten aus Anlass des 80. Todestages Walter Krämers und Karl Peix am 06.11.2021 eine Gedenktafel in der Walter-Krämer-Straße in Goslar auf.

 

Walter Krämer wurde vor 130. Jahren geboren und in diesem Jahr wird sein Geburtstag ein weiterer wichtiger Tag für die Ehrung dieses bedeutenden Kommunisten und Humanisten sein.

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