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Wenn Regenbogenflaggen ihren Sinn verlieren…

Die Regenbogen-Stadion-Diskussionen in Deutschland nehmen weiterhin Fahrt auf. Die UEFA sei „aufgrund ihrer Statuten eine politisch und religiös neutrale Organisation. Angesichts des politischen Kontextes dieser speziellen Anfrage – eine Botschaft, die auf eine Entscheidung des ungarischen Parlaments abzielt – muss die UEFA diese Anfrage ablehnen“ erklärte der Europäische Fußballverband die Entscheidung, die Allianz Arena in München zum letzten Gruppenspiel gegen Ungarn in den Farben der Queer-Bewegung leuchten zu lassen. Man muss der UEFA zugute heißen: Die Begründung ist nachvollziehbar und konsequent. Etwa bei der Auswahl von Sponsoren oder der Vergabe von Turnieraustragungsorten ist der Fußballverband auch immer politisch und religiös neutral, solange die Summen stimmen! Die intransparenten Deals, die in irgendwelchen Hinterzimmern stattfinden, sind immer ohne jegliche Moral und Ethik. Aber ist das Untersagen der DFB-Anfrage nicht selbst ein politisches Statement – und zwar eins FÜR Duldung von Homophobie und reaktionäre Politik?

Arroganz und Symbolwirkung

Bei dem Beleuchten der Allianz-Arena und bei der Regenbogen-Kapitänsbinde von Neuer handelt es sich um rein symbolpolitische Aktionen. Diese werden keinerlei Verbesserung für die Lebensrealität von queeren Menschen herbeirufen, weder in Ungarn, noch in Deutschland. Auch wenn das ungarische Parlament erst kürzlich ein Gesetz zur Einschränkung von Informationen über Homo- und Transsexualität verabschiedete, ist es der falsche Weg, die ungarische Nationalmannschaft und die ungarischen Fans, die den Weg ins Stadion gefunden haben, an den Pranger zu stellen. Nicht nur das: es ist die typisch deutsche Arroganz, die die wirtschaftlich schlechter gestellten EU-Mitglieder immer wieder von Deutschland zu spüren bekommen. Die Gäste mit ihnen vermeintlich verhassten Symbolen noch niederzutreten zu wollen, ist der Ausdruck dieser Überheblichkeit und Arroganz des DFB.

Und hier stellt sich die Frage, warum die Diskussion hier in Deutschland so zum Politikum hochstilisiert wurden? Möchten die Beteiligten, vorneweg der DFB, lediglich sich selber profilieren?

Warum trotzdem nicht beleuchten?

Der DFB wäre sicherlich reich genug gewesen, um das Stadion trotzdem zu beleuchten und sich dem Verbot nicht zu beugen. Die Strafe wäre sogar binnen kürzester Zeit durch Spenden wieder eingeholt worden, keine Frage. Wenn es doch so sehr um das Thema Menschenrechte und –würde geht, sollte das Thema Geld doch kein Faktor sein, oder? Aber die Menschenwürde ist wieder nur der vorgeschobene Vorwand.

Seit wann spielt das Thema Vielfalt beim DFB eigentlich so eine große Rolle, wenn man bedenkt, welchen Aufschrei es immer wieder gab, wenn Manche die Nationalhymne nicht mitgesungen hatten? Und wenn jetzt es um queere Menschen geht: Personen, die sich weder als Mann noch als Frau zugehörig fühlen, bekommen in 20 von 21 deutschen Spielverbänden keine Spielberechtigung. Bevor man Ungarn zurechtstutzen möchte, sollte man vielleicht zuerst zu Hause anfangen? Die Einführung von Unisex-Toiletten, um dieses Problem anzugehen, ist nicht die Lösung lieber DFB!

Fußball hat ein Problem mit Homophobie!

Dass Fußball ein großes Problem mit Homophobie und Rassismus hat, ist kein Geheimnis. Dass Hitzlsperger 2014 sich als homosexuell geoutet hat und unmittelbar danach seinen Rücktritt erklärte, war sicherlich kein Zufall. Und wir erinnern uns alle noch an die Aussage Philipp Lahms Anfang 2021, dass sich schwule Fußball-Profis nicht outen sollen, weil nicht genug Akzeptanz da sei. Homophobie im Fußball muss konsequent bekämpft werden, zuerst in Deutschland!

Wenn man als Verband wirklich ein Zeichen gegen Homophobie setzen möchte, soll man Qatar Airways als Sponsor ablehnen oder sich aus der WM 2022 zurückziehen, die in Qatar stattfinden wird. Dort wird nämlich nicht nur die Informationsfreiheit über Homosexualität verboten, wie in Ungarn, sondern auf Homosexualität steht Gefängnisstrafe bis zu 5 Jahren sowie öffentliche Peitschenhiebe. Das wäre eine konsequente Handlung für Menschenrechte und –würde und hätte eine explosive Symbolwirkung! Vielleicht traut sich der DFB dann, die Residenz der Mannschaft in Qatar mit Regenbogenfarben zu schmücken?

Mit dem Strom schwimmen!

Aber so weit wird es nie kommen. Es ist gerade hip, für die Rechte von LGBTI+ zu sein, ohne es zu meinen. So zeigten sich CSU-Generalsekretär Markus Blume stolz mit einer Schutzmaske in Regenbogenfarben ebenfalls der CSU-Parteichef Markus Söder. Dabei hatte genau dieser Markus Blume zum Thema die Ehe für Alle, die für Schwule und Lesben ein zentrales Thema ist, erklärt: Wenn Schwule und Lesben heiraten dürften, „entfernte sich [das] vom christlichen Eheverständnis“. Bei der Abstimmung über die Ehe für Alle vor 4 Jahren hatte ein übergroßer Teil der Unions-Abgeordneten, darunter übrigens auch die Kanzlerin – mit „Nein“ abgestimmt. Aber längst vergessen das Ganze.

Erst recht die „weltoffenen“ deutschen Konzerne, die ihre Logos kurzerhand in Regenbogenfarben tauchten – dumm nur: lediglich in den Ländern, wo es gerade schick ist. Ihre Vertretungen in Saudi Arabien, im Mittleren Osten oder Ungarn z.B. behielten die normalen Logos an dem Tag.

Wenn Symbole des Widerstandes – in dem Falle für gleiche Rechte und Anerkennung- zur Marke oder Kommerz werden, verlieren sie ihre Wirkung. Die inflationäre Benutzung des Regenbogens in den letzten Tagen hat nichts verändert und keinerlei Gleichheit eingeführt. Die sexuelle Orientierung eines jeden Menschen ist und bleibt privat und sollte vor dem Gesetz gleichberechtigt anerkannt werden, nicht mehr und nicht weniger!

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