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„Wir fordern Einzelunterbringung schon seit Jahren“

Dilan Baran

Max Bryan aus Hamburg lebte selbst längere Zeit auf der Straße, dann bot ihm irgendwann eine Frau ihr Gästezimmer an. Heute lebt er wieder in Hamburg, in einer kleinen Wohnung am Stadtrand und ist Gründer der Bürgerinitiative für ältere Menschen ohne Bleibe und hilft anderen eine Unterkunft zu finden. Wir haben mit ihm über diese Arbeit in Pandemiezeiten gesprochen.

Im Winter obdachlos sein, war schon vor der Pandemie schwer, gar lebensbedrohlich. Jetzt, wo das höchste Gebot der Stunde lautet Zuhause zu bleiben und fast alle geschlossenen öffentlichen Orte nicht zugänglich sind, verschärft sich die Situation. Womit habt ihr als Initiative gerade am stärksten zu kämpfen?

Von der Verschärfung der Kontaktbeschränkungen wegen Corona sind auch Helfergruppen betroffen, die sich sozial für Obdachlose engagieren. So ist das Tische aufbauen am Hauptbahnhof zum Beispiel bis auf Weiteres untersagt, da es zu verhindern gilt, dass Menschen sich irgendwo anstellen. Wir hatten diese Situation bereits im März diesen Jahres gehabt. Aus der Not heraus wurde unser Caretüten-Projekt geboren. Das sind Essenstüten prall gefüllt mit Lebensmitteln und Hygiene-Artikeln für den täglichen Gebrauch zur dezentralen Verteilung an Bedürftige und an Menschen, die auf der Straße leben. Dezentral bedeutet, wir bauen keine Tische auf wie bisher, sondern bringen die Tüten einzeln und gezielt zu den Schlafplätzen der Obdachlosen hin und auch dorthin, wo Betroffene sich tagsüber aufhalten. „SnackBag“ – „Die Sozialtüte“ – gibt es seit Juli diesen Jahres. Unsere Sachspendenverteilung am Hauptbahnhof seit Sommer 2019. Unser Unterbringungsprogramm seit 2016. Wir bringen Leute auch unter, so gut es geht.

Werden (noch) Menschen in Hotels untergebracht? Das würde sich doch gerade sehr anbieten.

Vergangenes Jahr hatte Hinz & Kunzt eine solche Aktion in Zusammenarbeit mit verschiedenen Vereinen auf die Beine gestellt und auch in diesem Jahr sammeln Organisationen für eine Fortsetzung dieses Projekts. Hotelunterbringungen sind eine gute Möglichkeit, um Menschen schnell und unbürokratisch eine für den Winter befristete Bleibe zu verschaffen. Wir selbst arbeiten mit Wohncontainern. Die haben den Vorteil, dass die auch für länger und nicht auf den Winter begrenzt sind. Wer bei uns einzieht, kann solange bleiben, bis er eine Wohnung hat. Wir nennen das „Privates Winternotprogramm Plus“. Finanziert wird unser Programm aus Spenden, die wir aktuell auch über Facebook sammeln. Hier ein Link dorthin: https://www.facebook.com/donate/2967518150144542 Video hier: https://www.youtube.com/watch?v=uGKVd7ZvTi0&list=UUWbqAhkZlc-5P2_rEJtcXkg&t=0m32s

Diese große Ungleichheit ist ja nicht leistungsbedingt oder mit Glück und Unglück zu erklären. Was fordert ihr bzw. die obdachlosen Menschen von der Politik?

In erster Linie muss die Stadt – vor allem jetzt – in Corona-Zeiten, für Einzelunterbringung sorgen. Wir fordern das seit Jahren. Im städtischen Winternotprogramm sind die Betroffenen in der Regel mit mehreren Leuten auf engen Raum untergebracht. Viele meiden die Unterkünfte der Stadt aus genau diesem Grund. Dabei ist Hamburg eine so reiche, wie auch flächenstarke Stadt. Es sollte doch möglich sein, jeden Obdachlosen auch einzeln unterzubringen. 1 Millionen Quadratmeter Bürogebäude stehen leer in Hamburg. Hier sollte man ansetzen – wenigstens den Winter über.

Welche Gründe gibt es euren Erfahrungen nach, weshalb Menschen auf der Straße leben (müssen)?

Die Gründe warum Menschen auf der Straße leben, sind vielschichtig. Einer davon ist Altersarmut. Horst (62) zum Beispiel, der Mann, den wir letzten Winter in unserem privaten Winternotprogramm untergebracht haben. Seine Frau war gestorben und für eine Person allein wurde die Miete der Wohnung zu teuer. Ein Umzug in eine kleinere Wohnung ist schwierig, denn so viel kleine und dazu noch bezahlbare Wohnungen gibt es in Hamburg nicht mehr. Der Rentner musste raus aus der für ihn zu teuer gewordenen Wohnung und schlief unter freiem Himmel an der Hamburger Bahnhofsmission. Dort hatten wir ihn letzten Winter entdeckt und unseren beheizten Ganztages-Container angeboten. Den hat er angenommen und lebt da heute auch noch. Er kann da auch so lange bleiben, bis er eine neue Wohnung hat.

Wie kann man Euch unterstützen?

In erster Linie benötigen wir Spenden zur Aufrechterhaltung unserer Programme. Aber auch Sachspenden kann man uns zuschicken. „CarePaketPlus“ nennen wir das. Gefragt sind derzeit warme Winterkleidung, lange Unterhosen, Schals, Mützen, Handschuhe, Jacken und Pullover und alles was wärmt. Auch Schlafsäcke und Isomatten sind herzlich willkommen.

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