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 „Wir zahlen nicht“

Gizem Gözüaçık

Wir haben mit Lena Deich, Mitbegründerin der Kampagne „Wir zahlen nicht“ gesprochen.

Wer seid ihr und wie ist eure Initiative entstanden?

Wir sind eine Initiative von ehrenamtlichen Aktiven, die teilweise aus sozialen Protesten kommen, aber teilweise auch nicht. Das, was uns aber eint, ist, dass wir was gegen die massiven Preissteigerungen machen wollen. Wir haben in Berlin angefangen, haben aber ganz schnell gemerkt, dass es bundesweit sehr viel Interesse gibt. Das heißt wir sind keine reine Berliner Gruppe, sondern es gibt uns schon überregional in verschiedenen Städten, die jetzt auch im Januar online gehen werden und viele weitere Städte diskutieren, wann sie einsteigen können. Also es wird nicht auf Berlin beschränkt sein.

Sobald ihr 1 Mio. Menschen erreicht habt, wollt ihr die Stromrechnungen bestreiken. Wie plant ihr dieses Ziel zu erreichen?

Wir werden auf Social Media präsent sein. Wir werden versuchen, in die Zeitungen zu kommen, was uns bisher sehr gut gelungen ist. Aber wir werden auch an den Haustüren präsent sein, mit vielen lokalen Gruppengründungen versuchen das ganze Bundesgebiet abzudecken und Leute zu erreichen. Bestimmt machen wir auch die eine oder andere Aktion, um auf uns aufmerksam zu machen.

Warum erst 1 Mio. und nicht sofort?

Wir wollen einen Schutzschirm für Menschen schaffen, die nicht zahlen können, aber das können wir nur machen, wenn wir genügend Menschen sind und genau wie bei einem betrieblichen Streik geht es erstmal darum, sich zusammenzutun und gemeinsam zu handeln und nicht sozusagen einzeln in den Streik zu treten. Deshalb ist es uns total wichtig, zu sagen: Wir brauchen eine kritische Masse an Menschen, die mitmachen, bevor wir tatsächlich in den Zahlungsstreik treten, um auch das Risiko für die Einzelnen minimal zu halten.

Wie vielen Menschen wurde im letzten Jahr der Strom/Gas abgedreht? Was wird für dieses Jahr erwartet?

2021 wurde 235.000 Menschen der Strom abgedreht, aber 4,3 Millionen Menschen haben eine Ankündigung oder eine Androhung einer Stromsperre bekommen. Wir rechnen damit, dass diese Zahlen zunehmen werden, weil damals stiegen die Preise zwar auch schon, aber nicht so stark und nachdem die Preise jetzt so massiv gestiegen sind, wird das, trotz Strompreisbremse, dazu führen, dass viele Haushalte sich nicht mehr leisten können, die Rechnung zu zahlen, zumal ja auch andere Preise gestiegen sind für Gas und Lebensmittel. Das heißt insgesamt ist das Leben teurer geworden und viele Menschen können sich ihre Rechnungen einfach nicht mehr leisten.

Was ist Merit-Order? Was ist eure Alternative dagegen?

Merit-Order bedeutet im Endeffekt, dass der Gesamtpreis für den Strom sich am teuersten Einspeiser orientiert und das ist meistens Gas und das führt regelmäßig dazu, dass Stromkonzerne und Stromanbieter massive Gewinne machen können, weil sie einen viel höheren Preis bekommen für ihren Strom, als dass sie tatsächliche Produktionskosten haben. Wir wollen Energiekonzerne vergesellschaften, weil wir der Meinung sind, dass wir dann die tatsächlich entstehenden Produktionskosten und die Netze bezahlen müssen, aber nicht die Profite der Konzerne und dass deswegen langfristig der Strom auch deutlich billiger sein wird. Zudem wollen wir nur nachhaltigen Strom und daher den dezentralen Ausbau erneuerbarer Energien und keine fossile Energie.

Strompreise gehen Hand in Hand mit der Zerstörung der Umwelt und auch der Erhöhung der Mietkosten. Seid ihr vernetzt mit anderen Initiativen, Gewerkschaften etc.?

Konkret haben wir uns erst letzte Woche gelauncht, das heißt wir sind eine sehr junge Initiative. Wir sind in Kontakt mit verschiedenen Initiativen, aber wir sind noch im Aufbau. Wir haben ein Grußwort in Lüzerath gehalten, weil natürlich sehen wir die Verbindung inhaltlich zu dem, was dort passiert. RWE ist auch ein Konzern, gegen den wir organisiert sind. Wir haben auch angefangen uns mit anderen Initiativen zu vernetzen. Wir laden alle dazu ein, darüber nachzudenken, wo sie inhaltliche Überschneidungspunkte sehen. Wir sehen sie besonders in der Klimabewegung, aber zu anderen Punkten, wie stadtpolitische Bewegungen wie „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ (DWE). Wir sehen, dass die Nebenkosten dazu führen, dass die Miete steigt und das Gründe sind, warum Menschen in Zahlungsschwierigkeiten kommen.

Ihr sprecht davon, dass Energiekonzerne sich bereichern. Auch für Gesundheit, Transport etc. gilt diese Feststellung? Wie kann man dieses grundsätzliche Problem lösen? Was fordert ihr?

Öffentliche Daseinsvorsorge muss vergesellschaftet werden und muss für alle bezahlbar sein. Das ist auch das, was wir im Strombereich fordern, was wir aber auch für andere Formen der öffentlichen Daseinsvorsorge und sozialen Infrastruktur sagen würden. Die Forderung nach Vergesellschaftung ist eine, die in verschiedenen Bewegungen diskutiert wird. DWE hat diese Forderung populär gemacht, hat sie mehrheitsfähig gemacht und damit gezeigt: Man kann gesellschaftliche Mehrheiten hinter die Forderung bekommen und das ist das, was wir auch für die Stromvorsorge fordern. Ich würde sagen die Verbindung der verschiedenen Kämpfe findet statt über das Erkennen eines gemeinsamen Ziels und die Vergesellschaftung der öffentlichen Daseinsvorsorge ist dieses gemeinsame Ziel, was auch automatisch eine Verbindung der unterschiedlichen Kämpfe schaffen kann.

Gefordert wurde eine Preisdeckelung – nun haben wir eine Energiepreisbremse. Wem nützt diese?

Die Energiepreisbremse nützt insofern erstmal vor allem den Konzernen, weil sie sagt ja eigentlich nur, dass bei 40 Cent pro KwH der Strom für die Haushalte gekappt wird. Das heißt aber nicht, dass die Energiekonzerne weniger Geld für ihren Strom verlangen können, sondern der Restbetrag wird einfach nur vom Staat übernommen und damit sozusagen letztendlich auch von uns als gesellschaftliche Gesamtheit. Das ist nicht das, was wir wollen, deshalb sagen wir, dass wir die Vergesellschaftung der Energiekonzerne wollen.

Was plant ihr an Aktivitäten? Wie kann man euch unterstützen?

Am besten auf die Homepage gehen und sich dort informieren. Dort könnt ihr euch auch eintragen und da kann man auch aktiv werden. Man kann sich eintragen, um in den Zahlungsstreik zu gehen. Man kann aber auch angeben, dass man aktiv werden möchte. Das hilft uns dann konkret lokale Gruppen zu gründen, was ein großes Verbreiterungsziel ist, über die lokalen Gruppen in möglichst vielen Stadtteilen, Städten, Regionen in ganz Deutschland präsent zu sein und mit Leuten konkret ins Gespräch zu kommen. Ansonsten ist natürlich auch super, uns auf Social Media zu folgen und unsere Sachen zu verbreiten. Wir planen zudem aktuell eine Plakatieraktion in allen Stadtteilen in Berlin erstmal und es wird es auch in anderen Städten geben. Die Termine werden über Social Media bekannt geben. Dort kann man sich natürlich auch jederzeit anschließen, um mit uns ins Gespräch zu kommen, aber auch um ganz konkret mit uns praktisch zu werden und plakatieren zu gehen!

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