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Evrensel-Kolumnist Yusuf Karataş zu 10,5 Jahren verurteilt

Der Evrensel-Kolumnist und Mitglied des geschäftsführenden EMEP-Vorstandes (Partei der Arbeit), Yusuf Karataş, wurde von der 9. Kammer des Strafgerichts Diyarbakir zu 10 Jahren und 6 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Das Gericht sah den Straftatvorwurf der Staatsanwaltschaft „Bildung und Führung einer Terrororganisation“ als erwiesen an und führte als Beleg dafür seine Teilnahme an Podiumsdiskussionen und Workshops von DTK (Kongress für eine Demokratische Gesellschaft) an. Es attestierte ihm ferner eine kriminelle Veranlagung und lehnte deshalb einen Straferlass ab. Bis das Urteil rechtskräftig wird, bleibt Karataş auf freiem Fuss, darf aber das Land nicht verlassen. Seine Verteidiger kündigten an, gegen das Urteil in Berufung zu gehen.

Die Rechtsanwältin Leyla Han Tüzel hatte in der Verhandlung auf die Verfahrensfehler verwiesen, die zur Verurteilung von Karataş geführt hätten. So seien die Tonaufzeichnungen, die als Beweismittel in die Verfahrensakte aufgenommen worden seien, nicht komplett angehört, sondern nur teilweise berücksichtigt worden. Man habe nur bestimmte Stellen herausgepickt und die Klageschrift auf dieser Grundlage zusammengebastelt. Die vorgeworfene Straftat sei nicht konkret. Ihr Antrag auf Verschiebung der Hauptverhandlung wurde jedoch zurückgewiesen.

Han Tüzel verwies darauf, ihr Mandant habe an den Veranstaltungen der DTK im Auftrag seiner Partei teilgenommen und dort im Rahmen der verfassungsrechtlich verbrieften Meinungsfreiheit seine Meinung vertreten. Er sei als Politiker und als Journalist dort gewesen.

Auch der Anwalt Tugay Bek erinnerte daran, dass der DTK zum Zeitpunkt der vermeintlichen Straftat bei Empfängen zu Ehren des damaligen Staats- und Ministerpräsidenten vonseiten des Staates als protokollarischer Gast offiziell eingeladen worden war. Ferner sei der Kongress vom türkischen Parlament offiziell eingeladen worden und an seinen Treffen hätten auch Berater des Staatspräsidenten teilgenommen. Heute werde der DTK als eine „Falle“ instrumentalisiert und jeder, der seine Räume betreten habe, werde bei dieser „Hexenjagd“ als Terrorist vor Gericht gestellt.

In seinem Urteilsspruch erklärte das Gericht die verhängte Freiheitsstrafe von 10, 5 Jahren damit, dass die dem Angeklagten vorgeworfene Straftat „Mitgliedschaft in einer bewaffneten Organisation“ erwiesen worden sei. Aufgrund früherer Verurteilungen sei auch eine kriminelle Veranlagung bei dem Angeklagten festzustellen.

Die Rechtsanwälte von Karataş kündigten an, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. Das Gericht habe mit seinem Urteil das Recht auf politische Betätigung und freie Meinungsäußerung verletzt und jegliche Aktivität der DTK als „Aktivität einer bewaffneten Terrororganisation“ eingestuft. Das bedeute, dass selbst Vertreter der Regierungspartei, die in der Vergangenheit an Versammlungen der DTK teilgenommen hätten, mit Terrorismus-Vorwurf konfrontiert werden könnten. Die Botschaft, die man mit diesem Urteil habe senden wollen, sei klar: Stellt euch nicht auf die Seite der kurdischen Bevölkerung, bleibt ihren Aktivitäten fern. Mit einem solchen Urteil könne man jede politische Veranstaltung zum Terrorismus und alle politischen Kräfte, die daran teilnehmen, zu Terroristen erklären.

Tugay Bek kritisierte das Urteil als den „Versuch des Gerichts, jegliche Opposition gegen die AKP einzuschüchtern und als Terrorismus zu brandmarken.“ Es habe wieder einmal gezeigt, dass sich die Justiz in der Türkei vollständig in den Dienst der Regierungspartei gestellt habe. Das Gericht folge der Argumentation der Regierungspartei, die die DTK, auf dessen Veranstaltungen sie in der Vergangenheit auf höchster Ebene vertreten worden sei, heute als „terroristisch“ einstufe. Deshalb sei das vorliegende Urteil politisch motiviert. Yusuf Karataş sei das widerfahren, was in der jüngeren Geschichte und heute unzähligen Oppositionellen widerfahre.

In einer Erklärung verurteilte die EMEP-Vorsitzende Selma Gürkan den Urteilsspruch gegen Yusuf Karataş aufs Schärfste. Karataş gehöre dem geschäftsführenden EMEP-Vorstand und ihrem Beraterstab an. Das Urteil habe aufs Neue gezeigt, dass die politisierte Justiz in der Türkei Unrecht spreche. Der Prozess sei von Anfang an unrechtmäßig und politisch motiviert gewesen. Auch sie wies darauf hin, dass an den Gründungsversammlungen des DTK Vertreter und Abgeordnete der AKP teilgenommen hätten. Gürkan sagte weiter: „Dem DTK gehörten in der Anfangszeit Vertreter von allen Parteien, Gewerkschaften, Bürgerinitiativen, Frauen-, Jugend- und Friedensbewegung sowie Künstler und Intellektuelle an. Yusuf Karataş vertrat im DTK die Partei der Arbeit und ihre Lösungsvorschläge in der kurdischen Frage. Die Verurteilung dieser politischen Arbeit ist ein offensichtlicher Verstoß gegen die Verfassung durch Gerichte.”

Die Verurteilung von Karataş reihe sich in die lange Kette ähnlicher Rechtsverstöße ein. So seien viele Vertreter der HDP, die als drittstärkste Kraft im türkischen Parlament vertreten ist, einschließlich ihrer Vorsitzenden inhaftiert und verurteilt worden: „Heute füllen unzählige Politiker und über 100 Journalisten, die auf Grundlage solchen Unrechts verurteilt wurden, die Gefängnisse in der Türkei. Jeder, der in Opposition gegen die Regierungspolitik steht, wird bedroht, vor Gericht gestellt oder ins Gefängnis gesteckt. Trotzdem werden sich die demokratischen Kräfte in der Türkei nicht einschüchtern lassen. Die Demokratie wird nur siegen, wenn wir weiterkämpfen. Auch unsere Partei ist sich bewusst, dass die wahre Demokratie nur durch den gemeinsamen Kampf der Arbeiterklasse, Werktätigen und aller Unterdrückten erkämpft werden kann.“

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