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Marathonlauf im Kreißsaal

Ines Tsartsaris

Zum internationalen Tag der Hebammen haben sich am 5. Mai ca. 150 Hebammen, Eltern, Kolleg*innen aus der Pflege, Erzieher*innen und viele weitere Unterstützer*innen am Münchener Marienplatz versammelt, um gegen die furchtbaren Arbeitsbedingungen der Geburtshelfenden zu demonstrieren. Das Motto: Gesicherte Arbeit für sichere Geburten!

Laut statistischem Bundesamt wurden im Jahr ‪2017 784.901‬ Kinder geboren, das sind knapp knapp ‪100.000‬ mehr als zehn Jahre zuvor. Ein Grund zur Freude, oder? Leider sind seitdem gleichzeitig die Anzahl der Entbindungsstationen drastisch gesunken: seit dem Jahr 2007 wurden 175 Kreißsäle (Stand 2017) abgebaut. Die Anzahl der Hebammen ist zwar leicht angestiegen, jedoch sind diese nur zu einem Drittel fest angestellt. Mehr Kinder, immer weniger Kreißsäle und ein Großteil der Entbindungshelfer*innen in Teilzeit: eine Konstellation die zum Scheitern verurteilt ist.

Hebammen und Geburtshelfer sind Fachkräfte rund um Schwangerschaft, Geburt und Wochenbettzeit. Eine optimale Betreuung sollte bereits in der Schwangerschaft beginnen, die Geburt begleiten und danach bei der frühkindlichen Versorgung Zuhause und Stillzeit weitergehen, bis die neu gewordene Mutter und Partner sich im Umgang mit dem Familienzuwachs sicher fühlen.

Die Realität sieht jedoch anders aus. Viele werdende Mütter, bekommen keine Betreuung während ihrer Schwangerschaft. Alles ausgebucht. Freiberufliche Kolleg*innen jonglieren gleichzeitig viele schwangere Frauen auf einmal: sind abrufbereit für die Geburten Zuhause oder im Krankenhaus und planen Hausbesuche nach der Geburt. Sie können sich ihre Arbeitszeit zwar einteilen, sind aber trotzdem wegen der hohen Anzahl an zu betreuenden Frauen überlastet. Schließlich sorgen sie selbst für ihren Lebensunterhalt und bei den enormen Gebühren, die für ihre berufliche Haftpflichtversicherung anfallen, wird auf Freizeit verzichtet. Die Kosten betragen mittlerweile jährlich über 8000 Euro und werden von den Krankenkassen nur zu einem Teil refinanziert.

In den Kreißsälen sieht es für fest angestellte Geburtshelfende nicht besser aus: im Schnitt verdienen sie 2700 Euro Brutto. Sie sind somit genauso unterbezahlt wie ihre Kolleg*innen aus der Gesundheits- und Krankenpflege. Zudem wurden viele Entbindungsstationen geschlossen, da sich Geburten – aber vor allem natürliche Geburten – im Fallpauschalensystem der Krankenhäuser (DRG System) finanziell nicht lohnen. Davon sind besonders kleinere Häuser außerhalb der großen Städte betroffen. Jetzt sammeln sich alle Gebärenden in den Ballungsräumen und das Personal ist überlastet. Die Kreißsäle sind teilweise so überfüllt, dass Frauen, die sich bereits in den Wehen befinden weggeschickt werden, da keine Betreuung und somit keine sichere Geburt garantiert werden kann. Viele sind somit gezwungen, ihre Kinder alleine auf die Welt zu bringen, ohne Unterstützung von Fachkräften.

Wie sieht der Lösungsansatz der Politik zur Entlastung von Hebammen und Geburtshelfern nun aus? Das Bundesgesundheitsministerium hat einen Gesetzesentwurf zur Reform der Hebammenausbildung erstellt, der besagt, dass die Ausbildung von einem dualen Studium abgelöst werden soll. Durch die Akademisierung verspricht man sich, dass der Beruf für junge Menschen attraktiver wird und sich somit mehr Leute dafür entscheiden. Damit wird auch gleichzeitig eine EU-Richtlinie erfüllt die ab 2020 für alle Mitgliedsstaaten gilt.

Ja, es muss in Zukunft mehr Geburtshelfende geben. Jedoch werden sich Menschen bei diesen fürchterlichen Arbeitsbedingungen nicht für diesen Beruf entscheiden, egal ob er an einer Hochschule erlernt wird oder nicht. Es müssen mehr Entbindungsstationen geschaffen werden, damit die Betreuung der Frauen gewährleistet ist und die Kolleg*innen entlastet werden. Hebammen und Geburtshelfer müssen besser vergütet werden. Das Wohlergehen der Menschen, soll über dem Profit stehen. Deshalb: weg mit dem DRG System, das Menschen auf den Preis ihrer Fallpauschale reduziert.

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